In der Schweiz ist kein Platz für Pelze, wenn die Tiere, von denen sie stammen, gequält worden sind. Auf diese simple Formel einigte sich der Nationalrat im Dezember. 144 Parlamentarier aus allen Fraktionen stimmten zu. Das Importverbot war auf dem besten Weg, in Gesetzesform gegossen zu werden.
Nun droht das Anliegen auf den letzten Metern zu scheitern. Bürgerliche Ständeräte dürften die Vorlage morgen Montag versenken. Im April legte sich eine Mehrheit von SVP, FDP und Mitte in der vorberatenden Kommission auf ein Nein fest. Daran halten die Parteien fest.
«Das ist der Horror»
Nationalrat Matthias Aebischer (54, BE), der das Verbot vor zweieinhalb Jahren lancierte, zeigt sich entsetzt von der drohenden Blockade im Stöckli. «Wir kennen alle die Bilder aus den Tierfarmen. Das ist der Horror, Millionen von Tieren vegetieren unter grausamen Bedingungen vor sich hin», sagt der Sozialdemokrat. Solche Pelze wollten Schweizerinnen und Schweizer nicht, so Aebischer. «Bis vor kurzem sah das auch eine Mehrheit der Bürgerlichen so.»
Was also ist seit Dezember passiert? Grosse Priorität hatte das Geschäft im Stöckli nie, so viel steht fest. «Im Ständerat werden die Vorstösse aus dem Nationalrat manchmal stiefmütterlich behandelt», sagt die Grünen-Ständerätin Maya Graf (60, BL). «Das Importverbot für Pelze aus tierquälerischer Produktion hat leider nie die notwendige Aufmerksamkeit bekommen.» Dabei unterstütze sogar der Jägerverband den Vorstoss. «Das müsste eigentlich ein deutliches Signal sein», findet Graf.
Wie wird Tierquälerei definiert?
Die Argumente der Gegner drehen sich weniger um das Wohl der Tiere, sie bewegen sich eher im bürokratischen Unterholz. «Alle sind gegen Tierquälerei», betont der Zuger FDP-Ständerat Matthias Michel (59). «Aber niemand konnte uns in der Kommission sagen, wie Tierquälerei definiert wird und wie wir sicherstellen, dass fragliche Produkte wirklich nicht eingeführt werden können.» Der Nationalrat hatte sich auf die im Schweizer Tierschutzgesetz festgelegten Bestimmungen zur Tierquälerei berufen.
Michel warnt zudem vor der Gefahr, dass die Schweiz mit einseitigen Importverboten gegen internationale Regeln verstossen könne. Sicher ist das nicht. Ein EU-Handelsverbot für Robbenfelle wird weltweit akzeptiert.
Die Mehrheit der Ständeräte zielt in eine andere Richtung. Auch Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger (57, LU) lehnt Tierquälerei ab, wie sie betont. Ein Importverbot für Quälpelze unterstützt sie dennoch nicht. Sie will, dass die heute geltende Deklarationspflicht für Pelzprodukte verschärft wird.
Deklarationspflicht hat grosse Mängel
Diese Deklarationspflicht sieht vor, dass zum Beispiel bei einem in China geschneiderten Pelzmantel angegeben wird, dass im Herkunftsland keine Schweizer Normen gelten. Konkret fordert Gmür vom Bundesrat, «dass er weiterhin rigide Kontrollen macht und dafür sorgt, dass die Deklarationspflicht vollumfänglich eingehalten wird». Das Resultat soll die Regierung in zwei Jahren in einem Bericht darlegen.
Wenn die Konsumenten aufgrund der Deklaration entscheiden sollen, ob sie problematische Pelze tragen wollen, müssten sie wissen, was genau sie da kaufen. Aber das ist oft nicht der Fall. Auch den Bürgerlichen ist bewusst, dass die Deklarationspflicht grosse Mängel hat. Über deren Wirkung gibt es bereits einen Bericht – genauer gesagt: fünf.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) untersucht den Markt seit Jahren. Der jüngste Rapport vom Herbst 2021 lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Die Deklarationspflicht ist gescheitert. Auch Jahre nach ihrer Einführung sind die Verstösse praktisch flächendeckend. So verzeichnete das BLV bei 141 Kontrollen in 111 Geschäften falsch oder mangelhaft deklarierte Pelzprodukte.
Importeure und Verkäufer wollen keine effektive Umsetzung
Im Onlinehandel registrierten die Beamten bei elf von zwölf Tests Verstösse. Von insgesamt 3302 überprüften Pelzprodukten waren lediglich 1010 korrekt deklariert. Das ist weniger als ein Drittel. Dabei werden manche Kontrollen vorangekündigt und einige Läden zweimal überprüft.
Matthias Aebischer glaubt denn auch nicht an den Sinn zusätzlicher Kontrollen. «Zu sagen, wir verschärfen die Deklarationspflicht, ist billig: Sie wurde in der Vergangenheit nicht eingehalten und wird auch in Zukunft wenig bringen.»
Importeure und Verkäufer haben zur Genüge bewiesen, dass sie eine effektive Umsetzung ablehnten. Demnach haben jene, die ihr Geld mit dem Elend der Tiere verdienen, wenig Interesse daran, dass dieses Leid ans Licht kommt oder gar bekämpft wird.
Eine Mehrheit im Ständerat will das offenbar ebenfalls nicht.