Initiativen und Referenden drohen zu scheitern
Corona-Hilfe für die direkte Demokratie läuft aus

Damit Parteien, Verbände und Bürgerkomitees trotz Pandemie Unterschriften für Initiativen und Referenden sammeln können, hat der Bund die Spielregeln gelockert. Doch ausgerechnet jetzt, wo die Ansteckungszahlen wieder steigen, läuft die Hilfe aus.
Publiziert: 27.11.2021 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2021 um 12:39 Uhr
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Der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg sammelte gemeinsam mit Mitstreitern 93'000 Unterschriften für die Mikrosteuer-Initiative – 7000 zu wenig.
Foto: Peter Gerber
Ladina Triaca und Ruedi Studer

Dieses Wochenende üben sich die Schweizerinnen und Schweizer einmal mehr in ihrer edelsten Tradition: Sie stimmen ab. Diesmal über das Covid-Gesetz, die Pflege-Initiative und die Justiz-Initiative. Die direkte Demokratie lebt – das könnte man zumindest meinen.

Demokratie-Aktivist Daniel Graf (48) allerdings ist besorgt. Er sagt: «Initiativen und Referenden, die mit Corona zu tun haben, sammeln sich derzeit leicht. Aber was ist mit dem Rest?» Da seien zum Beispiel das Frontex-Referendum oder jenes gegen das Transplantationsgesetz. «Beides sind wichtige gesellschaftspolitische Anliegen, die wegen Corona bereits in der Sammelphase zu scheitern drohen.»

Harziges Unterschriftensammeln

Denn das Unterschriftensammeln in Pandemiezeiten ist schwer. Grosse Veranstaltungen, an denen viele Menschen angesprochen werden können, fallen weg. Und auf der Strasse mit Maske auf Menschen zugehen kommt nicht bei allen gut an.

Graf und seine Mitstreiter von der Stiftung für direkte Demokratie richten deshalb einen Hilferuf ans Parlament. In einem offenen Brief an die Präsidenten von National- und Ständerat fordern sie das Parlament auf, die politischen Rechte während der Pandemie zu schützen.

Hilferuf ans Parlament

Konkret verlangen sie, dass die Parlamentarier den Artikel 2 des Covid-Gesetzes verlängern. Dieser sieht vor, dass die Bundeskanzlei Parteien, Verbände und Bürgerkomitees bei der Beglaubigung der Unterschriften unterstützt. So konnten diese die gesammelten Unterschriften in den letzten Monaten direkt bei der Bundeskanzlei einreichen und mussten sie nicht – wie vor der Pandemie üblich – bei den Gemeinden beglaubigen lassen. Das entlastet die Komitees finanziell und verschafft ihnen mehr Zeit zum Sammeln. Doch ausgerechnet jetzt, wo sich die epidemiologische Situation wieder zuspitzt, tritt der Artikel per Ende Jahr ausser Kraft.

Aktivist Graf kann das nicht nachvollziehen: «Wir brauchen Spielregeln, die die direkte Demokratie während der Pandemie lebendig halten», sagt er. Es sei auch mit der Unterstützung der Bundeskanzlei schwierig, die nötigen 50'000 oder 100'000 Unterschriften für Referenden und Initiativen zu sammeln. «Wenn man dann kurz vor dem Ziel wegen der Corona-Massnahmen scheitert, ist das sehr brutal.»

Mikrosteuer-Initiative scheitert

Genau das mussten die Initianten der Mikrosteuer-Initiative um den ehemaligen Bundesratssprecher Oswald Sigg (77) erleben. Sie hatten zum Ende der Sammelfrist im November 93'000 Unterschriften beisammen – 7'000 zu wenig.

«Es ist ein totaler Frust», sagte Sigg danach dem «Tages-Anzeiger» und machte Corona für das Scheitern verantwortlich. Er habe schon oft auf dem Breitenrainplatz in Bern Unterschriften gesammelt. Doch während der Pandemie sei das fast unmöglich gewesen. An einem Tag habe er nach zweieinhalb Stunden auf dem Platz gerade mal drei Unterschriften beisammen gehabt.

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