Ob als Digestif nach einem üppigen Nachtessen oder als namensgebende Zutat in der berühmten Zuger Kirschtorte – Schweizer Obstbrände können was. Doch seit längerem schwindet die Nachfrage nach den heimischen Spirituosen.
Christine Badertscher (41), Nationalrätin der Grünen, möchte das ändern. In einem Vorstoss fordert sie mehr Unterstützung für einheimische Schnapsproduzenten. Doch weshalb nimmt die Beliebtheit hiesiger Brände ab?
Liberalisierung und fehlende Unterstützung
Seit der Liberalisierung des Spirituosengesetzes Ende der 1990er Jahren wurden die ausländischen Spirituosen wie Whisky, Gin und Wodka massiv günstiger. Schweizer Produzenten können da preislich kaum mithalten.
Lorenz Humbel (58), Besitzer und Geschäftsführer der gleichnamigen Brennerei in Stetten AG, sagt: «Mit der Schliessung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung 2015 ging ziemlich viel Know-How verloren. Es fehlt eine offizielle Koordinations- und Anlaufstelle für uns Produzenten.»
Humbel begrüsst Badertschers Vorstoss. Er erhofft sich mehr Hilfe vom Bund. «Denn anders als beispielsweise Schweizer Weinproduzenten oder europäische Schnapsbrennereien erhalten die Schweizer Hersteller von Spirituosen keinerlei Unterstützung bei der Absatzförderung.»
«Nicht in Bars zu Hause»
Ein weiterer Grund für den starken Rückgang beim Konsum einheimischer Schnäpse sieht Humbel im kulturellen Wandel. «Früher gab es nach dem Essen im Restaurant noch einen Digestif oder einen Kafi-Schnaps und man blieb noch etwas sitzen. Heute verlagert sich das oft in eine Bar.»
Nun könnte man meinen, ist ja völlig egal, wo man den Absacker zu sich nimmt – doch das stimmt nicht. Humbel: «Bars und Pubs kommen aus dem angelsächsischen Raum. Dementsprechend gibt es dort Whiskey und Gin – der Obstbrand war dort nie wirklich vertreten.»
Cocktails sollen Obstbränden neues Leben einhauchen
Nicht nur Nationalrätin Badertscher versucht, den Schweizer Obstbrand wieder beliebter zu machen. Auch die Hersteller selber machen einiges, um in Zukunft auch in den trendigen Bars und Pubs vermehrt über den Tresen zu gehen.
Humbel organisiert daher bereits seit mehreren Jahren die sogenannte «Humbel's Stork-Trophy», ein Wettbewerb für Barkeeper, bei dem Obstbrände im Zentrum des Geschehens stehen. Neben renommierten Schweizer Barkeepern nahmen auch etliche Teilnehmer aus angesagten deutschen Lokalen am Wettbewerb teil und kreierten Cocktails auf Obstbrandbasis.
Der Berner Barkeeper Lukas Hostettler (43) ist Jury-Mitglied bei der «Stork-Trophy». Er erklärt: «Als Hauptzutat sind die hiesigen Obstbrände sehr teuer.» Das sei dem vergleichsweise hohen Aufwand geschuldet und der grossen Menge an Früchten, die es braucht. «Aber auch der hohen Qualität», so der Chef der «Abflugbar» in der Berner Altstadt. Man könne schon günstigere Brände aus dem Ausland nehmen, doch deren Geschmack sei oft viel zu dominant als Hauptzutat.
Um einem Drink aber den richtigen «Flavour» zu geben, könne man wohldosiert durchaus Schweizer Obstbrände einsetzen. «Und tatsächlich gibt es in der Bar-Szene aktuell diesen Trend», macht Hostettler den Brennern Hoffnung.
Sieger-Cocktail «Humbelstilz»
Im Sommer 2022 gewann Barkeeper Tilman Ritz übrigens mit folgendem Rezept:
5 cl XZH Extra Zwetschge x Holunder2 cl Pineau des Charentes
2 cl Amaro delle Alpi
2 cl Verjus
1 Sprühstoss Les Trois Rois Aromatic Bitters