Immer mehr ältere Menschen sterben am Coronavirus, obwohl sie zweimal geimpft sind. Leiter von Altersheimen sagen, sie würden ihren Bewohnerinnen und Bewohnern schon lange eine dritte Dosis spritzen, wenn sie könnten. Impfchef Christoph Berger ist überzeugt, dass die Booster-Impfung noch dieses Jahr zugelassen wird – allerdings nicht für alle.
Herr Berger, am Wochenende wurde der Fall einer alten Frau publik, die trotz doppelter Impfung an einer Corona-Infektion gestorben ist. Ihr Sohn sagt, mit einer Booster-Impfung wäre sie noch am Leben.
Christoph Berger: Das wissen wir nicht. Vielleicht wäre die Frau auch mit einer Booster-Impfung gestorben. Zwei Impfungen schützen sehr gut, aber nicht zu hundert Prozent. Bisher sehen wir keine Zunahme der Hospitalisationen wegen abnehmendem Schutz bei zweimal geimpften Personen.
Also braucht es gar keine Booster-Impfung?
Doch, die Booster-Impfung für betagte Personen wird noch dieses Jahr kommen. Wir sehen anhand von Daten aus England eine Tendenz, dass der Schutz der Impfung bei den über 80-Jährigen leicht abnehmen könnte. Allerdings sind die Studienresultate bislang nicht signifikant.
Christoph Berger (59) ist Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EFIK). Aus der Feder der EFIK stammen die vom Bundesamt für Gesundheit herausgegebenen Impfempfehlungen. Berger ist Kinderarzt und Infektiologe und leitet die Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Christoph Berger (59) ist Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EFIK). Aus der Feder der EFIK stammen die vom Bundesamt für Gesundheit herausgegebenen Impfempfehlungen. Berger ist Kinderarzt und Infektiologe und leitet die Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Und wann kommt der Booster für die übrige Bevölkerung?
Die normale Bevölkerung braucht dieses Jahr sicher keinen Booster. Wir haben keine Hinweise darauf, dass der Schutz der mRNA-Impfung bei ihr nachlässt.
Wie sieht es bei Risikopersonen aus, müssen sie sich auf eine dritte Dosis einstellen?
Bei den unter 65-jährigen Risikopersonen zeigt sich ebenfalls keine Abnahme des Impfschutzes. Bei über 65 Jahre alten Personen mit Risikofaktoren für schweres Covid-19 gibt es unterschiedliche Resultate, die aber allesamt keine signifikante Abnahme des Schutzes zeigen.
Wie wichtig sind Booster-Impfungen überhaupt für den weiteren Verlauf der Pandemie?
Booster-Impfungen würden den wahrscheinlich leicht nachlassenden Schutz bei älteren Menschen erhöhen, wir wissen aber noch nicht für wie lange. Wichtig scheint mir zu betonen, dass der Schutz bei ihnen von ungefähr 85 auf 95 Prozent steigt. Lässt sich hingegen eine ungeimpfte Person impfen, erhöht sich deren Schutz von null auf 95 Prozent. Impfen ist also viel effektiver als Boostern!
In Israel, den USA oder Deutschland wird die dritte Dosis bereits verabreicht. Weshalb dauert das Zulassungsverfahren in der Schweiz derart lange?
Sowohl in den USA als auch in Deutschland war der politische Druck ausschlaggebend dafür, dass die dritte Dosis zugelassen wurde. Das machen wir in der Schweiz anders. Die Heilmittelbehörde Swissmedic klärt derzeit sorgfältig ab, ob die Kriterien für eine Zulassung erfüllt sind, und die Impfkommission bereitet eine Empfehlung vor.
Theoretisch könnten Sie als Impfkommission die dritte Impfung empfehlen, ohne die Zulassung durch Swissmedic abzuwarten. Weshalb tun Sie das nicht?
Das gehört tatsächlich zu einem der Szenarien, das wir durchgedacht haben. Allerdings ist es üblich, dass wir die Zulassung von Swissmedic abwarten, schliesslich sind sie für die Qualitätsprüfung und die Sicherheit zuständig.
Im Moment sieht es danach aus, dass Swissmedic die dritte Dosis von Moderna und Biontech/Pfizer bald zulässt. Wie lange dauert es von diesem Moment bis zur tatsächlichen Verimpfung der dritten Dosis?
Nach einer allfälligen Zulassung durch Swissmedic dauert es ungefähr zwei Wochen bis wir unsere Empfehlung angepasst haben. Zudem brauchen die Kantone eine gewisse Vorlaufzeit, um die Booster-Impfungen in Arztpraxen, Altersheimen oder anderen Impforten zu organisieren. Ich gehe davon aus, dass es sich Stand heute nicht mehr um Monate, sondern um Wochen handelt.