Kurz vor 22 Uhr schifft es wie aus Kübeln, Blitz und Donner entladen sich über Bern. Wird das Wetter die Klima-Demonstranten vom Bundesplatz vertreiben? Das ist bis Redaktionsschluss unklar. Klar ist: Das zweite, «letzte» Ultimatum, das die Stadt Bern den Aktivisten setzte, hatte keine Wirkung. «Wir wollen die Blockade halten», war die Reaktion. Erneut.
Dabei sollten sie ja schon bis Mittag um 12 Uhr abziehen. Stattdessen ketteten sich 15 Aktivisten an, was eine Räumung durch die Polizei erschwert. Man scherte sich in keiner Weise ums Versammlungsverbot, das gilt, wenn National- und Ständerat im Bundeshaus tagen.
Dennoch liess die Berner Regierung den Bundesplatz am Nachmittag nicht räumen. Die Polizei war ohnehin mit einer zweiten Demonstration von Sans Papiers beschäftigt. Diese wollten sich nicht mit den Klimaaktivisten vereinen. Bei den Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis und deren Sympathisanten, auf die sich das Medieninteresse weniger richtete, schritten die Polizeikräfte mit Reizgas und Wasserwerfer ein. Gegen 18 Uhr musste die Polizei aufgeben und die Sans Papiers auf den Bundesplatz lassen.
Marktfahrer haben das Nachsehen
Schon am Morgen hatten sich die Klimaaktivisten gegen die Stadt durchgesetzt. Zwar hatten sie versprochen, dem traditionellen «Märit» Platz zu machen. Doch als die Marktfahrer ankamen, waren grosse Teile des Bundesplatzes besetzt. Die Marktfahrer, die eben erst Einbussen wegen Corona hinnehmen mussten, hatten das Nachsehen. «Ich komme mir etwas verarscht vor», sagte Marktfahrer Thomas Lehmann (47) zu BLICK. «Wir werden heute 50 bis 80 Prozent weniger verkaufen», prophezeite er.
Am Nachmittag traf sich die Stadtberner Regierung, um ihr Vorgehen zu besprechen. Heraus kam wenig: «Bis am Abend» sollten die Aktivisten das Camp räumen.
Und wenn sie der erneuten Aufforderung nicht nachkommen? Darauf hatte die links-grüne Stadtregierung keine Antwort. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (49, CVP) beschwichtigte, betonte, wie wichtig der Dialog sei, dass man nicht über dem Gesetz stehe und es nun an den Klimaaktivisten sei, verantwortlich zu handeln. Klar ist: Die Berner Stadtregierung hegt Sympathien für die Klimaaktivisten auf dem Bundesplatz. Und es ist Wahlkampf im links-grünen Bern.
Bürgerliche wettern, Linke versuchen zu überzeugen
Derweil reagierten bürgerliche Parlamentarier zunehmend ungehalten. Schimpfend verbrachte Ex-SVP-Chef Albert Rösti (53) den Nachmittag vor dem Bundeshaus. Es sei eine «Mohrerei», diese Jungen sollten «besser mal arbeiten gehen», als sich auf dem Wohlstand früherer Generationen auszuruhen. Seine Fraktion stellte im Nationalrat den Antrag, sowohl die Klimaaktivisten als auch die Stadt Bern anzuzeigen. «Es kann nicht sein, dass hier nach der Reitschule ein zweiter rechtsfreier Raum geschaffen wird», so Nationalrätin Esther Friedli (43). Der Rat hatte den Antrag recht knapp verworfen.
Doch selbst wer die Anliegen der Aktivisten teilt, musste irgendwann einräumen, dass ihr widerrechtliches Engagement der Sache nicht dient. Abends statteten links-grüne Politiker dem Camp einen Besuch ab – zum Teil, um die Aktivisten zum Gehen zu bewegen. «Wir sind eine Demokratie, wir können nur etwas erreichen, wenn wir Mehrheiten haben», sagte SP-Nationalrat Beat Jans (56). «Ich glaube, ihr würdet der Sache mehr helfen, wenn ihr das Angebot der Stadtberner Regierung annehmt und zügelt.»