Vorbereitungskurse und juristische Beratung
Bundesplatz-Besetzung war von langer Hand geplant

In der Nacht auf Montag stampften Schweizer Klimaaktivisten vor dem Bundeshaus ein Protest-Camp aus dem Boden. Die Aktion war von langer Hand geplant. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 22.09.2020 um 08:05 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2020 um 13:39 Uhr
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Hunderte Klimaaktivisten haben sich am Sonntag versammelt, um diese Woche in Bern zivilen Ungehorsam zu üben.
Foto: AFP
Noa Dibbasey

Was angefangen hat als einfacher Schülerstreik, hat sich mittlerweile in eine hochprofessionelle Bewegung verwandelt. Am Montagmorgen stampfte die Klima-Bewegung vor dem Bundeshaus ein Protest-Camp aus dem Boden. Wo früher an einem Freitag die Schule geschwänzt wurde, um für das Klima auf die Strasse zu gehen, wird nun eine ganze Woche lang auf dem Bundesplatz kampiert.

Mit so einer grossen und vor allem professionell aufgestellten Aktion hatte niemand gerechnet. Sogar der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (58) staunte in Anbetracht der perfekten Organisation der Klimaschützer. Klar ist: Die Klimajugend ist nicht mehr alleine.

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Wer stellte die Aktion auf die Beine?

Die streikenden Schüler haben sich mit erfahrenen Organisationen zusammengeschlossen. Die neue Bewegung nennt sich «Rise up for Change». Mit dabei sind Extinction Rebellion und Greenpeace Schweiz, welche die Aktion mit Protest-Know-how unterstützen. Denn beide Organisationen sind bekannt für aufsehenerregende Aktionen.

Auch das Kollektiv Climate Justice ist mit an Bord. Dieses hatte letzten Sommer bereits ein Klima-Camp organisiert – und konnte daher Material beisteuern.

Wie wurde die Aktion geplant?

Am Montagmorgen um halb fünf Uhr legten die Klimaaktivisten los: In Windeseile bauten sie über den ganzen Bundesplatz ein Protest-Camp auf. Begonnen hatte aber alles schon viel früher: Im August forderte die Bewegung ihre Anhänger auf, sich die Woche vom 20. bis 25. September für zivilen Ungehorsam freizuhalten.

Zudem wurden seit längerem sogenannte Aktionstrainings organisiert. Dort lernten die Klimaschützer zivilen Ungehorsam, «also Aktivismus, der sich nicht immer ganz an alle Regeln hält», wie sie auf ihrer Internetseite schreiben. Das Training wurde «dringlich empfohlen», wenn man am
20. September am Treffpunkt vor der Reitschule aufkreuzen wollte.

Die Klimaschützer hatten bereits im Voraus eine Bewilligung erhalten, dort zu demonstrieren. Nicht schlecht staunte man in Bern also, als sich die Aktivisten plötzlich auf dem Bundesplatz breitmachten. Aber nicht nur die Behörden machten lange Gesichter: Auch die meisten Klimaaktivisten wurden erst am Morgen darüber informiert, dass es auf den Bundesplatz geht. So sollte sichergestellt werden, dass die Aktion nicht bereits vor dem Start verhindert wird.

Wie sieht es aus auf dem besetzten Bundesplatz?

Damit es die Aktivisten eine ganze Woche vor dem Bundeshaus aushalten, stehen Sanitäranlagen und eine grosse Essensvergabe bereit. Auch an einer Sanitäter-Station und einem Care-Team, das den Klimaschützern emotionale Unterstützung bieten soll, fehlt es im Camp nicht. Dazwischen finden sich farbige Zelte und Konzertbühnen.

Den Tag verbringen die Demonstranten, neben gelegentlichen Umzügen, mit spontanen Yoga-Kursen, auf selbst gebauten Schaukeln, mit Spielen und Protest-Chants wie: «What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!»

Wie schützen sich die Aktivisten?

«Rise up for Change» hat auf seiner Website ein Schutzprogramm veröffentlicht, an das sich alle Teilnehmenden halten müssen. Es gilt die Maskenpflicht, wenn die 1,5 Meter Abstand nicht eingehalten werden können, und essen darf man immer nur in derselben Gruppe.

Aber nicht nur gegen Corona schützen sich die Klimaschützer: Die Organisatoren stellen ein Legal-Team zur Verfügung, das die Ungehorsamen juristisch unterstützen will. In einer Broschüre informiert das Team über die Rechte der Demonstranten und warnt sie davor, der Polizei ohne Anwalt Auskunft zu erteilen. Für die Aktivisten ist immerhin klar, dass sie sich friedlich und gewaltfrei verhalten.

Können die Aktivisten bis Freitag auf dem Platz bleiben?

Für den Wochenmarkt auf dem Bundesplatz werden sich die Klimaaktivisten kooperativ zeigen und Platz schaffen. Das wurde im Plenum entschieden. Danach möchten sie aber keine Kompromisse mehr eingehen. «Wir bleiben bis Freitag vor dem Bundeshaus», so Sprecherin Kim Teuscher. «Komme, was wolle!»

Wie wird die Aktion finanziert?

Das gesamte Camp wird über ein Crowdfunding finanziert.

Was sind die Ziele?

Die Aktivisten stellen insgesamt 16 Forderungen zur Landwirtschaft, zum Finanzplatz, zur Demokratie, zur Klimagerechtigkeit und zur Infrastruktur und Energie in der Schweiz. «Wir wollen die Probleme an der Wurzel packen. Deswegen sind wir hier auf dem Bundesplatz, wo sich die Mächtigen in Wirtschaft und Politik konzentrieren», so Sprecherin Kim Teuscher.

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