Haben Mieter das Nachsehen?
Das musst du zum Eigenmietwert wissen

Die Wirtschaftskommission des Nationalrats macht Tabula rasa mit dem Eigenmietwert – doch die Steuerabzüge sollen bleiben. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum heiss umstrittenen Thema.
Publiziert: 17.08.2022 um 17:21 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2022 um 08:31 Uhr
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Der Eigenmietwert ist seit Jahrzehnten ein Zankapfel in der Politik.
Foto: Thomas Meier
Ruedi Studer und Lea Hartmann

Die nationalrätliche Wirtschaftskommission will den Eigenmietwert abschaffen. Doch der Entscheid fiel knapp. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage nur mit zwölf zu zehn Stimmen angenommen. Eine Minderheit beantragt hingegen, erst gar nicht auf die Vorlage einzutreten.

Der Nationalrat entscheidet bereits in der Herbstsession, wie es mit der umstrittenen Hausbesitzer-Steuer weitergehen soll. Ein weiteres Kapitel im jahrzehntelangen Kampf um den Eigenmietwert. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass das Parlament das fiktive Einkommen auf der Steuerrechnung von Hausbesitzerinnen und -besitzern ins Visier nimmt. Doch bis jetzt sind alle Abschaffungsversuche gescheitert – weil man sich nicht einig ist, wie die Alternative genau aussehen soll.

Blick erklärt, was es mit dem Eigenmietwert und der geplanten Revision auf sich hat.

Was ist der Eigenmietwert?

Ziel des Eigenmietwerts ist die Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern bei den Steuern. Der Eigenmietwert wird Eigentümern angelastet, die in ihren eigenen vier Wänden wohnen. Theoretisch entspricht er den Einnahmen, die ein Eigentümer erzielen würde, wenn er seine Liegenschaft vermieten würde. Die «künstliche Miete» muss der Eigentümer als Einkommen versteuern – quasi als Naturaleinkommen.

Benachteiligt der Eigenmietwert Haus- und Wohnungsbesitzer?

So ist es. Allerdings wird die steuerliche Mehrbelastung auf Einkommensseite mit zahlreichen Abzugsmöglichkeiten kompensiert. So können Eigentümer heute Schuldzinsen und gewisse Unterhaltsarbeiten oder Energiesparmassnahmen an den Immobilien vom Einkommen abziehen. Problematisch kann der Eigenmietwert insbesondere dort werden, wo das Haus weitgehend abbezahlt und keine Schuldzinsen mehr geltend gemacht werden können. Fehlt es dann an genügend Einkommen oder Vermögen, um die Steuerrechnung zu begleichen, wird es heikel – das trifft insbesondere auch Seniorinnen und Senioren. Zwar gibt es in einigen Kantonen Härtefallregelungen – doch wegen eines neuen Bundesgerichtsentscheids könnten diese nun dahinfallen.

Wer legt die Höhe des Eigenmietwerts fest?

Die Steuerverwaltung macht Schätzungen vor Ort. Für die Berechnung werden Faktoren wie Lage, Wohnfläche, Bauweise und Baujahr sowie das lokale Mietpreisniveau berücksichtigt. So kann es zu grösseren Unterschieden zwischen den Kantonen kommen. Laut Analysen des Bundes liegt der Eigenmietwert jedoch generell unter dem gängigen Marktwert.

Was hat das Parlament beschlossen?

Noch gibt es keinen definitiven Entscheid, das politische Ringen um den Eigenmietwert geht weiter. In der Herbstsession entscheidet der Nationalrat über die Vorlage. Die Wirtschaftskommission möchte den Hausbesitzern gleich zweimal Weihnachten bescheren. Nämlich den Eigenmietwert gleich ganz abschaffen, aber weiterhin Steuerabzüge – etwa für Unterhaltsarbeiten, Energiesparmassnahmen oder Schuldzinsen – beibehalten. Damit setzt sich in der Wirtschaftskommission die Maximalvariante durch.

Angesichts des knappen Entscheids in der Kommission könnte die grosse Kammer zum Ständeratsvorschlag umschwenken. Der Kompromissvorschlag des Ständerats sieht vor, dass der Eigenmietwert nur auf Erstliegenschaften abgeschafft wird. Bei Zweitwohnungen soll er weiterhin anfallen, weil die Bergkantone auf die entsprechenden Steuereinnahmen angewiesen sind. Zudem sollten Hausbesitzer Schuldzinsen nur sehr eingeschränkt und Ausgaben für den Unterhalt gar nicht mehr von der Steuer abziehen können.

Haben die Mieterinnen und Mieter das Nachsehen?

Tendenziell ja. Allerdings hat die SVP einen Minderheitsantrag eingebracht, mit dem sie auch den Mietenden einen allgemeinen Steuerabzug gewähren will. Konkret wäre der Abzug auf 30 Prozent der Wohnungsmiete und maximal 10'000 Franken begrenzt. Allerdings wird die Linke kaum auf diesen Deal einsteigen, weil dem Staat damit noch mehr Gelder verloren gehen würden.

Was würde die Abschaffung kosten?

Kommen die Vorschläge der nationalrätlichen Wirtschaftskommission durch, muss die öffentliche Hand mit happigen Steuerausfällen rechnen. Bei einem Hypothekarzinsniveau von 1,5 Prozent summieren sich die Ausfälle auf 3,8 Milliarden Franken jährlich, schätzt die Eidgenössische Steuerverwaltung in ihren Berechnungen. Im Vorschlag des Ständerats sind es nur 1,7 Milliarden Franken.

Bei einem Zinsniveau von 3,5 Prozent würden die Ausfälle beim Kommissionsmodell rund 2 Milliarden Franken betragen, in der Ständeratsvariante hingegen würden sogar Mehreinnahmen von 150 Millionen Franken resultieren.

Die Wirtschaftskommission will den Tourismuskantonen aber entgegenkommen. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, neu eine Objektsteuer auf Zweitwohnungen zu erheben, um so ihre Einbussen etwas auszugleichen.

Wie stehen die Chancen der Revision?

Schon mehrfach ist die Abschaffung des Eigenmietwerts an der Urne gescheitert. Auch bei der neuen Vorlage ist ein Referendum bereits absehbar. Ob es diesmal klappt, hängt stark von der Ausgestaltung der Vorlage ab. Angesichts happiger Steuerausfälle dürfte der Vorschlag der nationalrätlichen Wirtschaftskommission kaum Chancen haben. Die Kompromissvariante des Ständerats dürfte da schon eher eine Mehrheit auf sich vereinigen können.

Selbst der Hauseigentümerverband (HEV) plädiert für die Version des Ständerates. Die Wirtschaftskommission habe das Fuder überladen. Eine derart «angereicherte» Vorlage erscheint dem HEV politisch als «chancenlos».

Die Hürde an der Urne ist tatsächlich hoch, denn die Schweizer Bevölkerung ist mehrheitlich noch immer ein Volk von Mieterinnen und Mietern.

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