Günstigere Preise, mehr Papizeit für Beamte und Fussfesseln für Stalker
Das ist ab 2022 alles anders

Ab 1. Januar gelten in der Schweiz zig neue Bestimmungen. Sie betreffen unter anderem IV-Bezügerinnen, Online-Shopper, Soldaten, Bäuerinnen oder auch Autoimporteure.
Publiziert: 01.01.2022 um 13:11 Uhr
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Aktualisiert: 01.01.2022 um 18:32 Uhr
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Autoimporteure müssen ab 2022 höhere CO₂-Bussen bezahlen: Die schlimmsten Klimasünder sind nicht mehr von den Zielwerten ausgenommen.
Foto: PIUS KOLLER

Neue Regeln bei der IV, strengere Vorschriften für Schlachtbetriebe und mehr Schutz vor häuslicher Gewalt und Stalking: Per 1. Januar 2022 treten in der Schweiz zahlreiche Gesetzesänderungen in Kraft.

Ein Überblick von A wie AHV-Nummer bis W wie Waffenläden:

AHV-Nummer: Behörden in der Schweiz dürfen die AHV-Nummer neu systematisch verwenden, um Personen zu identifizieren. Ziel der Gesetzesänderung ist es, Verwechslungen zu vermeiden und die Effizienz der Verwaltung zu steigern. Im Parlament äusserten Kritiker Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und bezweifelten den Mehrwert der Neuregelung.

Armee: Angehörigen der Armee steht neu eine unabhängige Vertrauensstelle zur Verfügung. Bereits heute gibt es Beratungs- und Betreuungsangebote, die Armeeangehörige in Anspruch nehmen können, wenn sie ein Problem haben. Doch diese sind innerhalb der Armee angegliedert. Die neue Stelle ist das nicht. An sie können sich Armeeangehörige wenden, wenn sie in Schwierigkeiten stecken oder einen Missstand melden wollen. Ziel ist laut dem Bund insbesondere, Probleme zu lösen, die für eine Behandlung auf dem Dienstweg ungeeignet sind, und so systematische Probleme zu erkennen.

Betreibungen: Die Betreibungsämter können neu eine Gebühr von acht Franken in Rechnung stellen, wenn der Schuldner aufgefordert wird, eine Betreibungsurkunde persönlich auf dem Amt entgegenzunehmen. Die Protokollierung eines Rückzugs einer Betreibung durch das zuständige Betreibungsamt ist dafür künftig kostenlos.

Bundesangestellte: Die Angestellten des Bundes erhalten neu vier statt zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Die Mitarbeitenden bekommen zudem bei der Wahl des Arbeitsortes und des Arbeitszeitmodells mehr Flexibilität. Das Bundespersonalrecht sieht erstmals explizit vor, dass in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers oder im Homeoffice, aber auch in Co-Working-Spaces, Hub-Arbeitsplätzen oder flexiblen Teamräumen gearbeitet werden kann. Ein Recht auf Homeoffice besteht jedoch nicht.

Flughäfen: Das Personal an Flughäfen wird ab 1. Januar genauer unter die Lupe genommen. Die Schweiz gleicht die Sicherheitsüberprüfung an jene der EU an. Neu müssen zwingend polizeiliche und nachrichtendienstliche Informationen eingeholt werden. Massnahmen aus dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) treten vorzeitig in Kraft. Das ganze PMT tritt voraussichtlich in der ersten Hälfte 2022 in Kraft.

Gebühren: Ab 1. Januar 2022 muss der Preisüberwacher vor dem Erlass oder der Änderung von Gebühren angehört werden. Er wird insbesondere die Einhaltung des Kostendeckungs- und des Äquivalenzprinzips kontrollieren. Letzteres besagt, dass eine Abgabe in einem vernünftigen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen muss. Das Parlament hatte die stärkere Einbindung des Preisüberwachers verlangt.

Geschlecht: Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung können ihren Vornamen und das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht vom neuen Jahr an rasch und unbürokratisch ändern. Bei Personen über 16 Jahren reicht eine einfache Erklärung, sofern die Erwachsenenschutzbehörde nichts anderes angeordnet hat. Die Änderung des Eintrags kostet, sofern es nicht die Zustimmung einer gesetzlichen Vertretung braucht, 75 Franken.

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Gesundheit: Neuigkeiten gibt es auch bei den Zulassungskriterien im Gesundheitswesen. Ärztinnen und Ärzte, die eine ambulante Praxis eröffnen wollen, müssen mindestens drei Jahre lang an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte im beantragten Fachgebiet gearbeitet haben. Sie müssen sich zudem dem elektronischen Patientendossier anschliessen und über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen.

Gesundheitskosten: Mit mehreren gesundheitspolitischen Massnahmen sollen Prämien- und Steuerzahlende entlastet werden. So sollen etwa alle Versicherten eine Rechnungskopie für ihre Behandlungen erhalten, und für den ambulanten Bereich wird eine nationale Tariforganisation geschaffen. Die Massnahmen sind Teil eines Pakets, die das Parlament beschlossen hat. Weitere Teile des Pakets treten Anfang 2023 in Kraft.

Häusliche Gewalt und Stalking: Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking sollen besser geschützt werden. Tätern gegenüber können Rayon- und Kontaktverbote erlassen werden. Zur Überwachung kann das Tragen einer Fussfessel angeordnet werden. Hilfesuchenden Opfern steht neu eine nationale Telefonnummer zur Verfügung.

Invalidenversicherung: Neues bringt 2022 für Rentnerinnen und Rentner der Invalidenversicherung (IV). Bei einem Invaliditätsgrad zwischen 40 und 69 Prozent gibt es neu ein stufenloses Rentensystem – Erwerbsarbeit soll sich für die Betroffenen immer lohnen. Wie heute wird eine Vollrente ab 70 Prozent Invalidität zugesprochen. Fachleute sollen zudem Jugendliche und Kinder mit gesundheitlichen Problemen und psychisch Kranke gezielt unterstützen, damit sie nicht auf Dauer von IV-Renten abhängig werden. Bei medizinischen Begutachtungen werden Massnahmen zur Qualitätssicherung und für mehr Transparenz eingeführt.

Klima: Autoimporteure müssen neu auch für die klimaschädlichsten Fahrzeuge Bussen bezahlen, wenn sie die CO₂-Zielwerte verfehlen. Bis anhin konnten die Importeure in einer Übergangsphase die grössten Klimasünder in der Flotte ihrer Personenwagen, Lieferwagen und leichten Sattelschlepper von der Überprüfung der CO₂-Zieleinhaltung ausschliessen. Die Abgabe kostet pro Tonne CO₂ neu 120 statt 96 Franken. Neu müssen zudem Chemieunternehmen Lachgasemissionen vermeiden, ebenfalls zugunsten des Klimaschutzes.

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Landwirtschaft: Bäuerinnen und Bauern bekommen neu Direktzahlungen für Flächen, auf denen sie Industriehanf zur Fasernutzung oder zur Verwendung als Nahrungsmittel anbauen. Künftig gibt es zudem Sanktionen, wenn Landwirte die neu in den ökologischen Leistungsnachweisen aufgenommene Regelung zur Lagerung und Ausbringung von Hofdünger nicht einhalten.

Personenfreizügigkeit: Kroatinnen und Kroaten können ab 2022 voll von der Personenfreizügigkeit in der Schweiz profitieren. Überschreitet die Zuwanderung von kroatischen Arbeitskräften einen bestimmten Schwellenwert, kann sich die Schweiz auf eine Schutzklausel berufen und die Zahl der Bewilligungen ab 1. Januar 2023 erneut begrenzen. Diese Begrenzung wäre jedoch nur noch bis Ende 2026 möglich.

Preise: Im Kartellgesetz und im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gelten neue Massnahmen, um die «Hochpreisinsel Schweiz» zu bekämpfen. Eine davon ist das sogenannte Geoblocking-Verbot. Mit Geoblocking verhindern Onlinehändler, dass Schweizer Kunden direkt in ausländischen Stores einkaufen können – zu dortigen Preisen. Die Gesetzesänderungen sind ein Gegenvorschlag zur Fair-Preis-Initiative.

Steuern: Erbinnen und Erben können die Verrechnungssteuer auf Erbschaftserträgen ab sofort in ihrem Wohnkanton zurückfordern. Damit verhindert man, dass die Verrechnungssteuer doppelt zurückerstattet wird. Zudem wird die private Nutzung des Geschäftsfahrzeugs mit einer Pauschale besteuert, die neu auch die Fahrkosten zum Arbeitsort umfasst.

Tiere: Neue Vorschriften für Schlachtmethoden sollen für Tiere Stress und Leid verringern. Zum Beispiel gibt es erstmals Vorgaben für die Schlachtung von Fischen und Panzerkrebsen. Hühner und Truthühner sollen statt wie heute ausschliesslich mit CO₂ auch mit schonenderen Gasgemischen getötet werden können.

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Unterhaltszahlungen: Die Inkassohilfe bei familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen wird vereinheitlicht. Damit werden unterhaltsberechtigte Personen ab 1. Januar in allen Kantonen gleich behandelt, wenn sie das ihnen zustehende Geld nicht erhalten. Heute ist es den Kantonen überlassen, ihre Inkassohilfe zu gestalten. Sie erhalten nun zwei Jahre Zeit für die Umstellung.

Versicherungen: Neues gibt es auch im Umgang mit Versicherungen. Das revidierte Versicherungsvertragsgesetz bringt beispielsweise ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Das heisst, dass Versicherte neu eine Bedenkfrist von 14 Tagen haben, in denen sie die Unterschrift unter einen Vertrag wieder zurückziehen können. Verträge mit langer Laufzeit können schon nach drei Jahren beendet werden. Zudem wird die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen von zwei auf fünf Jahre erhöht. Auch Anpassungen für den elektronischen Geschäftsverkehr werden vorgenommen.

Waffen: Waffengeschäfte müssen sich besser gegen Einbrüche sichern. Für Fenster und Türen etwa gelten höhere Sicherheitsstandards. Hinzu kommt eine obligatorische Videoüberwachung. Grund für die Verschärfung der Sicherheitsvorschriften sind mehrere Einbrüche und Einbruchsversuche bei Schweizer Waffenhandlungen. Den Tätern fielen dabei mehrere Hundert Schusswaffen in die Hände. (SDA/lha)

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