Manchmal würde man lieber falsch liegen: Céline Vara (37), grüne Ständerätin aus Neuenburg, hatte sich in den letzten Tagen bereits sehr besorgt über den Konflikt in der Ukraine gezeigt. Nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch wegen der Atomgefahr: Denn in der Ukraine befinden sich neben dem Kernkraftwerk Tschernobyl auch noch vier weitere Kernkraftwerke.
Jetzt hat die Aktualität Vara überholt. Schon vor den Ereignissen letzter Nacht forderte sie die Schweiz auf, auf die Atomgefahr zu reagieren. Und letzte Nacht nun kam es im ukrainischen Atomkraftwerk in Saporischja zu einem Brand, nachdem es von Russen beschossen worden ist.
Die Befürchtungen der Umweltschützerin werden von Fachleuten geteilt. In einem Bericht, der auch Blick vorliegt, zeigt sich die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sehr beunruhigt über die Entwicklungen vor Ort.
Erster Krieg in der Nähe von AKWs
Die IAEA verurteilt das russische Vorgehen in der Ukraine, einschliesslich der Beschlagnahmung des Kernkraftwerks Tschernobyl. Zudem äussert sie grosse Sicherheitsbedenken, da die russische Invasion gegen den Atomwaffensperrvertrag verstösst. Aus diesem Grund fordert die Organisation Russland auf, alle Massnahmen gegen die Atomanlagen in der Ukraine einzustellen. Und sie will die gesamte Situation aus der Nähe beobachten können.
Céline Vara erinnert daran, dass dies das erste Mal sei, dass ein bewaffneter Konflikt in der Nähe von Atomkraftwerken stattfindet. Eine Gefahr, die beispielsweise zur Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht bestand: «Seit dem Beginn der russischen Invasion war mir klar, dass das Risiko in diesem Bereich immens ist. Dabei handelt es sich um ein schwerwiegendes Umweltproblem. Ich weiss nicht, ob dies allen bewusst ist. Die Folgen wären nachhaltig für den ganzen Kontinent – und darüber hinaus.»
«Putin weiss, was er tut»
Für die Neuenburgerin ist klar: Wladimir Putin weiss genau, was er tut. Der russische Präsident sei zweifellos über die Atomanlagen informiert. Sie zu bombardieren, wie vergangene Nacht in Saporischja, war ein Risiko, das er offensichtlich eingehen wollte.
Nur zu beobachten und zu hoffen, findet Vara angesichts der Entschlossenheit der russischen Armee nicht ausreichend. Einen Trumpf hätte die Schweiz aber, ist sie überzeugt. «Unsere Tradition der guten Dienste, erlaubt es uns, als einziges Land in dieser Situation zu handeln», so Vara. «Die Schweiz muss sofort mit Wladimir Putin Kontakt aufnehmen und ihn an seine Verpflichtungen in Bezug auf Atomkraft erinnern.»
IAEA soll vor Ort gehen
Auch sei ein Besuch vor Ort unbedingt erforderlich, so die grüne Politikerin: «Die IAEA muss sofort Massnahmen ergreifen und eine Delegation vor Ort entsenden, um die Kontrolle über diese Stätten zu übernehmen und sie zusammen mit neutralen Spezialisten zu schützen.»
Der Konflikt tobt bereits seit über einer Woche. Für eine Deeskalation sei keine Zeit mehr zu verlieren. «Die Schweiz hat eine aktive Rolle zu spielen. Sie muss für Diskussionen sorgen und ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Atomgefahr bedroht die gesamte Menschheit!»