«Das Virus wartet nicht, bis wir fertig getestet haben»
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GLP-Bäumle zu App-Verschiebung:«Das Virus wartet nicht, bis wir fertig getestet haben»

GLP-Nationalrat Martin Bäumle über die Verzögerung bei der Tracing-App
«Das Virus wartet nicht, bis wir fertig getestet haben»

Die Einführung der Corona-Warn-App verzögert sich, weil das Parlament ein eigenes Gesetz dafür will. Dabei hätte die Schweiz eine weltweite Pionierleistung bringen können, sagt GLP-Nationalrat Martin Bäumle.
Publiziert: 10.05.2020 um 22:53 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2020 um 18:46 Uhr
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Martin Bäumle von der GLP hätte die Corona-Warn-App gerne schon früher für die breite Bevölkerung angeboten.
Foto: Keystone
Interview: Tobias Bruggmann

Die Einführung der Corona-App verzögert sich. Das Parlament will im Juni ein offizielles Gesetz genehmigen. Am Mittwoch darf der Bundesrat also nur eine Testphase bewilligen, damit ein «begrenzter Nutzerkreis» die App testen kann. Wertvolle Zeit gehe verloren, sagt GLP-Nationalrat Martin Bäumle (55).

BLICK: Ab Montag hätte die Corona-App bereitstehen sollen. Hätten Sie diese heruntergeladen?
Martin Bäumle: Ja, natürlich. Schon seit zwei Monaten sage ich, dass wir in einem Massnahmenpaket eine solche App brauchen.

Jetzt verzögert sich der Start, weil das Parlament eine gesetzliche Grundlage will.
Ich habe ziemlich deutlich gewarnt: Wenn das Parlament sich mit Vorstössen einmischt, führt das zu einer Verspätung von einem bis zwei Monaten. Genau das passiert jetzt.

Was bedeuten diese Verzögerungen?
Das ist schwierig abzuschätzen. Das klassische Contact Tracing der Kantone läuft am Montag an. Solange die Fallzahlen tief sind, kommen diese gut nach. Aber die Ergänzung mit der App wäre eine massive Unterstützung: Wir gewinnen zusätzliche Daten und Geschwindigkeit.

Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri (59) sagte in der «NZZ am Sonntag», die App könnte zunächst zu Mehrarbeit führen, weil man nicht wisse, ob die infizierte Person beispielsweise eine Maske getragen habe.
Genau darum wäre es so wichtig, schon jetzt mit der breiten Masse starten zu können. Am Anfang wird es mehr Telefonate brauchen. Jetzt haben wir wenige Fälle, da können wir das noch machen. So gehen wir das Risiko ein, dass wir später in einer kritischen Phase noch Kapazitäten für Vorarbeit einsetzen müssen. Es ist schade, dass wir jetzt aus rein politischen Gründen zwei Monate verlieren.

Im Grundsatz sprechen sich viele Parlamentarier für die App aus.
Stimmt, immer weniger lehnen die App grundsätzlich ab. Aber sehr viele haben nicht verstanden, um was es bei der App geht. Die Verunsicherung war enorm gross. Vielleicht hätte der Bund mit einer früheren Aufklärung die Verzögerung verhindern können.

Andererseits sind Testphasen während der App-Entwicklung normal.
Es gab bereits Tests im Vorfeld. Jetzt ist es wichtig, dass auch Google und Apple die App zulassen. Wenn wir jetzt gestartet wären, hätte auch dort schnell eine Version bereitgestanden. Die Schweiz hätte eine weltweite Pionierleistung vollbracht!

Eine vertane Chance?
Jetzt wird man weiter testen und prüfen. Das ist nicht grundsätzlich schlecht. Aber das Virus ist da und es wartet nicht, bis wir fertig getestet haben. Je schneller die App läuft, desto schneller können wir aus ihren Ergebnissen lernen.

Atmosphärenwissenschaftler im Parlament

Martin Bäumle ist eines der Gründungsmitglieder der Grünliberalen und führte die Partei von 2007 bis 2017. Noch immer ist der studierte Atmosphärenwissenschaftler Vizepräsident der GLP. Privat fährt Bäumle gern Ski und Motorrad und spielt Billard.

Martin Bäumle ist eines der Gründungsmitglieder der Grünliberalen und führte die Partei von 2007 bis 2017. Noch immer ist der studierte Atmosphärenwissenschaftler Vizepräsident der GLP. Privat fährt Bäumle gern Ski und Motorrad und spielt Billard.

Ist es nicht verständlich, dass die Mehrheit eine freiwillige App will, die keine persönlichen Daten speichert?
Die gesetzliche Grundlage ist gegeben, das sagt auch der Bundesrat. Selbst wenn das Parlament im Nachhinein nachregulieren möchte, könnte man dies immer noch machen.

Aber ohne gesetzliche Grundlage könnte beispielsweise ein Wirt verlangen, dass seine Gäste die App installieren, um ein Bier zu trinken.
Das ist Teil der Gewerbefreiheit. Wenn ein Wirt nicht auf Papier mühsam die Namen und Telefonnummern aufschreiben und sammeln will – was datenschutztechnisch viel bedenklicher ist –, sondern seinen Gästen empfiehlt, die App zu nutzen, ist das viel anonymer als eine Liste, die nach 14 Tagen «gelöscht» wird oder im Falle eines Alarms an die Behörden geht.

Am Wochenende demonstrierten Hunderte gegen die Corona-Massnahmen. Wie wollen Sie diese von der App überzeugen?
Ich glaube, jene, die jetzt auf der Strasse demonstrieren, werden wir nicht überzeugen. Das grenzt an Fundamentalismus. Es geht um die breite Bevölkerung. Die hat sich in den letzten Wochen sehr gut an die Regeln gehalten – die werden auch die App nutzen. Es braucht aber auch uns Parlamentarier. Wir haben eine Vorbildfunktion und sollten die App alle herunterladen.

Mit der Vorbildfunktion meinen Sie jene Parlamentarier, die während der Session eine Party gefeiert haben?
Auch Parlamentarier sind nur Menschen. Aber ja vielleicht sollte die Bevölkerung in diesem Fall wirklich mehr auf die Behörden hören, welche die App auch empfehlen.


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