Auf einen Blick
- SVP-Nationalrat Andreas Glarner attackierte Mitte-Grossrätin Rita Brem-Ingold auf X
- Hassnachrichten und eine Morddrohung gegen die Mitte-Frau waren die Folge
- Glarner wäscht seine Hände in Unschuld
- Fraktionen fordern eine Entschuldigung
Schock für Mitte-Politikerin Rita Brem-Ingold: Die Aargauer Grossrätin wurde mit dem Tod bedroht, wie Radio SRF berichtet. Auslöser für die Morddrohung war offenbar ein Post von Nationalrat Andreas Glarner (62). Im Vorfeld der Aargauer Grossratswahlen vom vergangenen Sonntag griff der SVP-Kantonalpräsident die Mitte-Frau in einem Post auf X frontal an.
Er stellte Brem-Ingold auf der Social-Media-Plattform an den Pranger, weil sie vor zwei Jahren die Einbürgerung eines jungen Mannes unterstützte, obwohl dieser wegen eines Kleindiebstahls straffällig geworden war. Der Gesuchsteller hatte als Minderjähriger wegen dreier Ladendiebstähle im Wert von 122.90 Franken eine Busse von 100 Franken bezahlen müssen.
Das Einbürgerungsgesuch fand zwar keine Mehrheit, doch vergessen hat Glarner den Vorfall nicht. Brem-Ingold wolle, dass auch straffällige Ausländer eingebürgert würden, attackierte er sie in seinem Post. Und kommentierte sarkastisch: «Ja, sie ist eine würdige Vertreterin der katholischen SP (auch CVP oder neuerdings Mitte genannt).»
Die politische Attacke hatte Folgen. Brem-Ingold, die wie Glarner in Oberwil-Lieli AG wohnt und im Gemeinderat politisiert, erlebte danach einen Shitstorm mit unzähligen Hassnachrichten. Brem-Ingold, die auf einem Bauernhof ausserhalb des Dorfes wohnt, fühlt sich seither unwohl, wie sie gegenüber dem «Regionaljournal Aargau Solothurn» berichtet.
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Gipfel der Angriffe war eine Morddrohung. Ihr Grab sei bereits geschaufelt und sie werde demnächst tot sein, drohte ihr eine Person auf einem Morgenspaziergang mit dem Hund. Die Mitte-Politikerin informierte daraufhin die Kantonspolizei und reichte Anzeige ein.
Glarner distanziert sich
Glarner selbst verurteilt derartige Drohungen. Er habe nicht gewollt, dass es so weit komme. Ansonsten wäscht er seine Hände in Unschuld: Er habe mit seinem Post der Wählerschaft bloss aufzeigen wollen, wie sich gewisse Politiker verhielten, die «permanent rechts blinken und dann links abbiegen».
Gegenüber Nau verteidigt er sich, dass sein Beitrag der Wahrheit entsprochen habe: «Es darf nicht sein, dass man die Wahrheit nicht verbreiten darf, weil Gefahr besteht, dass jemand deswegen etwas Illegales tun könnte.»
Geharnischte Reaktionen im Grossen Rat
Der Fall sorgte am Dienstag im Grossen Rat für geharnischte Reaktionen. Mitte, SP, FDP, GLP, Grüne und EVP verlangten in einer gemeinsamen Fraktionserklärung eine Entschuldigung von Glarner, wie Keystone-SDA berichtet. Was Glarner bewusst gegen die Grossrätin ausgelöst habe, sei «unverantwortlich und grenzt an Hetzerei», sagte Mitte-Grossrat Alfons Paul Kaufmann.
Die Grossrätin sei mit Hassmails und Briefen bedroht worden. Dies gehe so weit, dass sie in der Zwischenzeit unter polizeilichen Personenschutz habe gestellt werden müssen. Sie sei in ihrer näheren Umgebung verbal bedroht worden. Dies schockiere die Fraktionen. Man distanziere sich von «irreführenden, respektlosen, unsachlichen und gegen die Person gerichteten Aktionen», sagte er. «Solche Machenschaften sind Gift für die politische Arbeit.»
Auch die Grosspräsidentin Mirjam Kosch nahm zu Beginn der Parlamentssitzung Bezug auf den Fall – ohne jedoch Glarner namentlich zu nennen. Man solle sich im Grossen Rat, in den traditionellen und sozialen Medien «immer mit Respekt und Anstand» begegnen, sagte Kosch. Für die schweizerischen Werte Freiheit und Demokratie sei es zentral, dass die Politikerinnen und Politiker ihre Arbeit zu jeder Zeit ohne Angst ausführen könnten.
Gesuchsteller mittlerweile eingebürgert
Genützt hat der Abwahl-Aufruf übrigens nicht: Die SVP sahnte bei den Grossratswahlen zwar ab, doch Brem-Ingold konnte ihren Sitz verteidigen.
Und der vom Kantonsparlament 2022 verschmähte junge Ausländer wurde noch im selben Jahr eingebürgert – durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts. Der Entscheid des Parlamentes sei «unhaltbar» und die Ablehnung sei «als geradezu willkürlich einzustufen», hielt das Gericht damals fest fest.