Gesetzeslücke machts möglich
Kriminelle waschen Geld via Betreibungsamt

Während Banken bei grossen Geldsummen unbequeme Fragen stellen müssen, gibt es diese Pflicht bei Betreibungs- und Konkursämtern nicht. Fachleute warnen: Das wird zum Geldwäschen genutzt.
Publiziert: 22.06.2022 um 17:46 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2022 um 17:50 Uhr
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Schweizer Betreibungsämter nehmen hohe Bargeldsummen entgegen, ohne Fragen zu stellen – während Banken das müssen.
Foto: nik hunger, zuerich

Wer mit einem Koffer voll Bargeld bei der Bank auftaucht und Geld einzahlen will, muss sich unbequemen Fragen stellen. Denn bei hohen Bargeldsummen – 15'000 Franken und mehr – ist das für die Banken Pflicht. Geldwäscherei-Verdachtsfälle müssen sie der Aufsicht melden.

Ganz anders läuft es bei Betreibungs- und Konkursämtern: Sie würden den Koffer ohne mit der Wimper zu zucken entgegennehmen. Denn sie müssen jede Zahlung entgegennehmen und dürfen gar nicht fragen, woher die Scheine kommen.

Der Trick mit der Betreibung

Diese Gesetzeslücke lässt sich zum Geldwaschen ausnutzen, wie «SRF» berichtet. Der Trick lässt sich einfach an einem fiktiven Beispiel erklären: Frau Meier kann zum Beispiel Herrn Müller betreiben, weil dieser angeblich ein Darlehen nicht zurückgezahlt habe. Sie gibt ihm das schmutzige Geld, er bringt es zum Betreibungsamt, welches die Summe der angeblichen Gläubigerin Meier überweist. Weisser gewaschen als direkt vom Staat überwiesen kann das Geld kaum sein.

Fachleuten ist das Schlupfloch bekannt, bislang war der Bund aber der Meinung, dass die Barzahlungen aufs Betreibungsamt möglich sein müssen. Dass damit auch Geld gewaschen werden kann, hielt man bislang für eine theoretische Möglichkeit.

Beamtin hatte «Stammkunden»

Eine ehemalige Betreibungsbeamtin erzählt gegenüber dem Radio allerdings eine andere Geschichte. Barzahlungen seien mit schöner Regelmässigkeit eingetroffen, sie berichtet gar von einem «Stammkunden»: Ein Geschäftsmann aus der Immobilienbranche mit Verbindungen nach Russland, habe jeweils mehrere 10'000 Franken in Bar gebracht. Sie habe «nicht mehr aus dem Kopf gekriegt», dass das nicht sauberes Geld sei. Eine Meldung an den Vorgesetzten habe allerdings nichts gebracht.

Allein im Kanton Genf sind dem Bericht zufolge letztes Jahr über 24 Millionen Franken in bar über Betreibungsämter geflossen. Auch in Zürich, Zug, Lugano und Genf kämen Barzahlungen von mehreren 10'000 Franken regelmässig vor. Woher die Scheine kommen, weiss niemand – denn danach fragt auch niemand.

Bund will Grenze höher ansetzen

Der SP-Nationalrat Christian Dandrès (41) hat nun auf parlamentarischem Weg nachgehakt. Grosse Bargeldzahlungen, die in anderen Ländern tabu sind, seien in den grossen Schweizer Finanzplätzen «fast alltäglich», kritisiert der Anwalt in seinem Vorstoss.

Gegenüber «SRF» räumt das Bundesamt für Justiz eine «potenzielle Missbrauchsgefahr» ein. In einer Vernehmlassung vom Dienstag schlägt der Bundesrat denn auch eine Gesetzesänderung vor, die den Barbetrag bei den Ämtern auf 100'000 Franken begrenzen will. Allerdings sei auch das noch viel zu hoch, wie Martin Hiltl, Geschäftsleiter von Transparency International kritisiert – schliesslich müssen Banken schon ab 15'000 Franken nachbohren.

Auch mit Kunst lässt sich Geld waschen

Die Schweiz steht nicht zum ersten Mal als Drehscheibe für mögliche Geldwäsche-Praktiken in der Kritik. Zu reden gegeben haben etwa die Tricks der Russen, die eigentlich auf den Sanktionslisten stehen.

Ein Beispiel ist der Kunsthandel, bei dem die Herkunft des Geldes nur schwach geregelt ist. Schweizer Kunsthändler und Auktionatoren müssen die Herkunft nur kontrollieren, wenn sie mehr als 100'000 Franken in bar entgegennehmen. Auch hier ist die Politik schon aktiv geworden, ein Vorstoss von SP-Nationalrat Jon Pult (37), der verlangt den Kunstmarkt dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen, ist hängig. (gbl)

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