Genossen drohen mit Klagen wegen Prämienverbilligung
SP-Ultimatum bringt Bürgerliche auf die Palme

Der Kanton Luzern spart zu Unrecht bei der Prämienverbilligung. Die SP droht nun per Ultimatum mit Klagen in anderen Knauser-Kantonen. Das ärgert bürgerliche Politiker.
Publiziert: 29.01.2019 um 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2019 um 13:56 Uhr
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CVP-Chef Gerhard Pfister: «Ultimaten in der Politik sind schlechter Stil.»
Foto: Keystone
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Der Kanton Luzern wollte bei der Krankenkassen-Prämienverbilligung knausern und Millionen zulasten des Mittelstands einsparen – und wurde vom Bundesgericht zurückgebunden.

Daraus will die SP nun politisches Kapital schlagen. Sie stellt den Knauser-Kantonen ein Ultimatum: Innert eines Monats müssen sie erste Schritte zur Anpassung der Prämienverbilligungen einleiten, sonst wird geklagt. Die SP nutzt den Fall auch gleich dazu, für ihre neue Prämienentlastungs-Initiative die Werbetrommel zu rühren.

CVP-Chef Pfister: «Schlechter Stil»

Das SP-Ultimatum gerät manchen bürgerlichen Politikern in den falschen Hals. «Ultimaten in der Politik sind schlechter Stil», sagt CVP-Chef Gerhard Pfister (56, ZG) zu BLICK. Die SP solle aber den Rechtsweg beschreiten, wenn sie wolle.

Das Bundesgericht sei mit seinem Urteil «sehr weit gegangen», findet Pfister zudem. «Die Situation in Luzern ist nicht typisch für alle Kantone.» Er findet vielmehr, dass die Kantone gestärkt werden müssten, denn: «Zentralisierung wird immer teurer.»

Pfister dürfte das Urteil umso mehr stören, als die SP nun Rückenwind für ihre neue Volksinitiative verspürt, welche eine Prämienobergrenze von 10 Prozent des Haushaltseinkommen festlegen will. Von dieser hält der CVP-Chef überhaupt nichts: «Die SP-Initiative bringt Mehrkosten von 4 Milliarden Franken für die Steuerzahlenden», warnt Pfister. Die CVP setzt auf ein eigenes Rezept: Sie sammelt derzeit Unterschriften für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen. Pfister: «Die CVP-Initiative bringt weniger stark steigende Krankenkassenprämien.»

FDP-Nantermod: «Nicht akzeptabel»

Für FDP-Gesundheitspolitiker Philippe Nantermod (34, VS) ist das SP-Ultimatum schlicht «nicht akzeptabel». Die SP sei schliesslich nicht die Umsetzungsbehörde für Bundesgerichtsentscheide. Er warnt zudem vor einer einheitlichen Umsetzung des Urteils. Nicht ohne Grund: Nantermods Heimatkanton Wallis gehört zu jenen, welche die SP als Knauserkantone an den Pranger stellt. 

Allerdings ist auch Nantermod bewusst, dass das Urteil auch für andere Kantone Folgen haben könnte. «Die Kantone müssen dem Urteil Beachtung schenken.» Es liege nun an diesen, die Situation zu analysieren und allfällige Massnahmen in Sachen Prämienverbilligung zu treffen. Er betont aber: Es gehe um die Untergrenze, bis zu welcher Prämienverbilligungen auszurichten seien – und keineswegs um eine allgemeine Erhöhung der Prämienverbilligung.

Ob es auch auf Bundesebene Anpassungen braucht, kann Nantermod noch nicht sagen – dafür sei es noch zu früh. Zuerst müsse man das Urteil genau analysieren. Allerdings kann sich Nantermod eine «Verbesserung» der Bundesgesetzgebung durchaus vorstellen – mit einer Anpassung nach unten, indem nur noch jene in den Genuss von Prämienverbilligungen kommen, «die es wirklich am nötigsten haben».

SVP-Mann de Courten will Kosten senken

«Dass die SP im Wahlkampfjahr die grossen Pauken und Trompeten auspackt, ist wenig überraschend», meint SVP-Nationalrat Thomas de Courten (52, BL). Das Ultimatum gewinne damit kaum an Substanz. «Die Prämienpolitik der SP ist und bleibt reine Symptombekämpfung», so der Präsident der nationalrätlichen Gesundheitskommission. «Weit wichtiger wäre es, die Kosten zu senken.»
 
De Courten ärgert sich nicht nur über die SP, sondern auch über die Lausanner Richter: «Das Bundesgericht greift mit diesem Entscheid massiv in die föderalen Strukturen der Schweiz ein.» Die Kantone seien für das Gesundheitswesen zuständig. In diesen seien etwa die Gesundheitsversorgung oder die Einkommensverhältnisse unterschiedlich. Dementsprechend sei etwa auch die Subventionspolitik und damit das Prämienverbilligungssystem auf verschiedene kantonale Faktoren abgestimmt. «Deshalb muss auch die Ausrichtung der Prämienverbilligungen je nach Kanton differenziert beurteilt werden», so de Courten. «Das zu überprüfen, ist für die Kantone eine Daueraufgabe.»
 
Auf Bundesebene ortet er trotzdem «sehr wohl Handlungsbedarf». Aber eben nicht bei «Steuerumverteilungsmassnahmen» wie der Prämienverbilligung, «sondern darin, die Kosten in den Griff zu kriegen». Der SVP-Mann will etwa bei der einheitlichen Spitalfinanzierung, höheren Franchisen oder der Lockerung des Vertragszwangs ansetzen. «Wir sollten unsere Kräfte dort bündeln, statt mit Prämienverbilligungsvorstössen nutz- und wirkungslose Diskussionen zu führen.»

CVP-Humbel will Kantone in die Pflicht nehmen

Auch CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (61) vertritt mit dem Aargau einen Kanton, der von der SP ins Visier genommen wird. «Das Ultimatum ist weder demokratisch noch rechtsstaatlich, sondern reine Wahlkampfrhetorik», schimpft sie. 

In der Sache geht sie mit der SP aber durchaus einig. «Die Kantone dürfen sich nicht aus der Prämienverbilligung zurückziehen, während der Bund jedes Jahr mehr bezahlt», kritisiert sie. Es sei immer der Wille des Gesetzgebers gewesen, dass auch der untere Mittelstand von der Prämienverbilligung profitieren solle. «Das müssen die Kantone umsetzen», macht Humbel klar. «Es geht nicht, dass sie die Mittel für Sparmassnahmen einsetzen und den gesetzlichen Auftrag nicht mehr erfüllen.» Deshalb hält sie auch den Gerichtsentscheid für richtig. Denn das Vorgehen des Kantons Luzern «verstösst gegen die Rechtssicherheit sowie gegen Treu und Glauben».
 
Für Humbel steht nun aber auch der Bund in der Pflicht: «Er muss wieder verbindliche Vorgaben machen für die Beiträge des Bundes.» Sie selbst hat diesbezüglich bereits 2017 einen Vorstoss eingereicht, in welchem sie den Bundesbeitrag an einen entsprechenden Kantonsbeitrag geknüpft sehen will.

Eine solche Regelung bestand, bevor sie mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs 2008 wieder aufgehoben wurde. «Davor mussten die Kantone denselben Betrag aufbringen wie der Bund, wenn sie den ganzen Betrag vom Bund abholen wollten», so Humbel. Wahrscheinlich könne man nicht mehr auf 50 Prozent gehen. «Aber mindestens 40 Prozent müssten die Kantone selber beisteuern.»

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