Gegründet von Putin-Verwandter
Zuger Russen-Unternehmen entgeht Sanktionen

Seit Ende Februar gelten Sanktionen für gewisse russische Unternehmen in der Schweiz – das hat der Bundesrat beschlossen. Eine Zuger Firma fällt aber vorerst noch durch die Maschen. Das Unternehmen wurde von einer Verwandten Putins gegründet.
Publiziert: 07.04.2022 um 17:32 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2022 um 13:54 Uhr
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Ein Zuger Russen-Unternehmen wurde bislang nicht sanktioniert.
Foto: Keystone

«Building a Better World» ziert in grossen Buchstaben die Internet-Startseite der Zuger Firma KSL. Hinter dem Slogan laufen Aufnahmen von Baggern, die Kohle abladen und Luftaufnahmen der Infrastruktur des Unternehmens.

Das Unternehmen KSL ist an einer unauffälligen Adresse im Zuger Stadtzentrum angesiedelt und exklusiver Wiederverkäufer des russischen Unternehmens Kolmar LLC – nicht zu verwechseln mit dem Schweizer Unternehmen Kolmar Group AG.

Für diese Firma vertreibt KSL Kohle. Gegründet wurde das Unternehmen von Anna Tsivileva, einer Verwandten des russischen Präsidenten Wladimir Putin (69). Ihr gehören auch 70 Prozent der Firmenanteile von Kolmar, das berichtet «Le Temps».

Anna Tsivileva – Anna Putin

Anna Tsivileva wurde als Anna Putin geboren – Tochter von Jewgeni, einem Cousin von Wladimir Putin. Sie ist auch die Schwester von Mikhail Evgenievich Putin, der seit 2018 Vorstandsvorsitzender von Gazprom ist. Als Kind war Tsivileva eng mit dem Kremlchef befreundet, das zeigt ein von dem russischen Medium «Agent Media» veröffentlichtes Foto. Diese Nähe lässt später nach, als Anna heiratet und ihren Geburtsnamen gegen den Nachnamen Tsivileva ihres ersten Ehemannes eintauscht.

2007 heiratet sie ihren jetzigen Ehemann Sergey Tsivilev, der fünf Jahre später Mehrheitsaktionär des Unternehmens Kolmar wird. Als er 2018 zum Gouverneur der Region Kemerowo – eine der kohlehaltigsten Provinzen Russlands – ernannt wird, überträgt er seine Anteile an seine Frau. Sein Bruder Valeriy wird Geschäftsführer. Der Wert des Unternehmens wird heute auf 2,5 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Exklusivverkäufer russischer Kohle

2016 gründet Anna Tsivileva die Tochtergesellschaft KSL. Bis 2018 leitet sie das Unternehmen zusammen mit ihrem Ehemann. Sergey verkauft später aber alle KSL-Aktien für umgerechnet 767'000 Franken an einen unbekannten Käufer, wie er in einem Interview mit einem russischen Medium gesteht.

KSL bleibt aber der offizielle Verkäufer von Kolmars Kohle. Der Firmenname steht für «Kolmar Sales and Logistics» – das wird in einer archivierten Pressemitteilung der Firma erklärt. Dort im Archiv findet sich auch ein Interview von Anna Tsivileva, die damals noch Geschäftsführerin der Zuger Firma war, mit der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Darin erklärt sie, weshalb sie sich für eine Verkaufsniederlassung in der Schweiz entschieden hat: «Damit die Gewinne im Konzern bleiben und die Aktionäre das Geld zurück nach Russland schicken können.»

Bleibt ein Russen-Unternehmen

Tsivilevs sind zwar aus dem Organigramm der Zuger Firma verschwunden – Anna hält aber immer noch 70 Prozent der Firmenanteile des Mutterunternehmens Kolmar. Der Rest gehört dem russischen Oligarchen Gennady Timchenko (69), der ebenfalls ein bekannter Putin-Freund ist, deckt «Le Temps» auf. Er wurde bereits sanktioniert.

Das Ehepaar Tsivilev und die Tochterfirma KSL hingegen stehen heute nicht auf der Schweizer Sanktionsliste – obwohl die Sanktionen bereits seit dem 28. Februar gelten. Warum, wollte das Seco auf Anfrage nicht erklären. Sie seien nur für die Umsetzung der vom Bundesrat beschlossenen Sanktionen zuständig.

Ein Aufschwung, der aufhorchen lässt

Auch andere Oligarchen hielten Anteile an dem russischen Unternehmen Kolmar – namentlich Iskander Makhmudov und Andrey Bokarev. Das russische Unternehmen ist bei Investoren beliebt. Der Konzern plant, im Jahr 2023 16 Millionen Tonnen Kohle zu fördern und soll 1 Milliarde Tonnen in Reserve haben.

Auch die auf Korruptionsbekämpfung spezialisierte Organisation Rupep.org war von Kolmars Aufstieg überrascht und nahm das Unternehmen genauer unter die Lupe. Die Organisation kann sich den raschen Aufstieg des Unternehmens nur durch die Nähe zum Kreml erklären.

Angesichts dieser Informationen müsse die Schweiz handeln, meint der Sanktionsexperte Alexandre Prezanti gegenüber «Le Temps»: «Das Ziel der Sanktionen gegen Russland besteht darin, die Finanzierung des Krieges in der Ukraine zu verhindern.»

Auf Medienanfragen antwortet das Zuger Tochterunternehmen KSL nicht. Ein ehemaliger Direktor, der bis letztes Jahr dort gearbeitet hat, dementiert aber, dass die Firma je Kenntnis über die Verbindung zwischen Anna Tsivileva und Wladimir Putin hatte. (lm)

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