Für sie ist das Kopftuch kein Zeichen der Religionsfreiheit, sondern vielmehr Ausdruck der Unterordnung und Diskriminierung muslimischer Mädchen. Marianne Binder (64) will sich damit deshalb nicht abfinden. Nicht zum ersten Mal nimmt die Aargauer Mitte-Nationalrätin Kinderkopftücher an Schulen und Kindergärten ins Visier.
Mit einem Vorstoss will Binder den Bundesrat ein Verbot prüfen lassen. Gar nicht so einfach, immerhin garantiert die Bundesverfassung die Religionsfreiheit. Genau deshalb will die Mitte-Politikerin abklären lassen, ob sich hier religiöses Recht nicht staatlichem unterzuordnen hat.
«Nicht im Sinne der Verfassung»
Es sei allen Kindern die gleichen Rechte und Freiheiten sowie der Kinderschutz zu garantieren. «In unseren Bildungseinrichtungen muss eine freie Entfaltung aller Kinder ohne Kinderkopftuch garantiert sein», betont Binder. «Sich auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu berufen, um Unterordnung zu rechtfertigen, kann nicht im Sinne der Verfassung sein.»
Für sie ist klar, dass das Kopftuch den Mädchen meist von den Eltern aufgezwungen wird. Die Schule hingegen müsse für den Rechtsstaat und damit für die Freiheit und gleiche Rechte für alle eintreten, sagt sie. «Deshalb soll das Kopftuch für muslimische Mädchen mit sexualisierendem und diskriminierendem Charakter darin keinen Platz haben», fordert Binder. Denn: «Es hemmt die Entwicklung und Bewegungsfreiheit der Mädchen und widerspricht dem pädagogischen Ziel der Gleichberechtigung und Chancengleichheit.»
Unterstützung aus bürgerlichen Parteien
Auch wenn es sich nur um eine kleine Minderheit handle, die betroffen ist: Sie dürfe nicht einfach übergangen werden, zeigt sich Binder überzeugt. Es gehe hier nicht um Sonderrechte gegen Minderheiten, sondern um Recht für eine kleine Minderheit von Kindern.
Binder steht mit ihrer Forderung nicht allein. Unterstützung erhält sie aus mehreren bürgerlichen Parteien. Darunter sind mit Gerhard Pfister (60) und Philipp Bregy (44) nicht nur Präsident und Fraktionschef der Mitte-Partei, sondern auch EVP-Präsidentin Lilian Studer (44), SVP-Nationalrätin Esther Friedli (45) und FDP-Ratskollegin Jacqueline de Quattro (62).
Bundesrat sieht den Ball bei den Kantonen
Ganz anders reagierte bisher der Bundesrat. Er lehnte frühere Forderungen nach einem Kopftuchverbot an Schulen klar ab. Das zuständige Justiz- und Polizeidepartement sah keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Vor allem aber wies die Regierung darauf hin, dass das Schulwesen in der Kompetenz der Kantone sei.
Dieser föderalistische Ansatz habe sich insgesamt sehr gut bewährt, zeigt sich der Bundesrat überzeugt – «gerade auch angesichts grosser konfessioneller und kultureller Unterschiede zwischen den Kantonen und ihrem von lokalen Traditionen geprägten Umgang mit Religion». Mit solch einzelfallgerechten Lösungen vor Ort liessen sich bessere Ergebnisse erzielen als mit einem nationalen Kopftuchverbot an der Schule. (dba)