Wie kündigt man eine historische Wende an, wenn man ihr selbst nicht traut? Als Bundesrat reist man in Regionen, wo weniger Journalisten anwesend sind und nicht jede vage Andeutung überinterpretiert wird. Und selbst wenn, dann getrauen sich die Reporter vielleicht weniger, vom Magistraten eine Präzisierung einzufordern, als die Kolleginnen in Bern.
Darauf dürfte Gesundheitsminister Alain Berset (49) am Freitag spekuliert haben, als er sich den Besuch bei Landstatthalter Jean-Pierre Gallati (55) in Aarau aussuchte, um vor die Medien zu treten.
Quarantäne und Homeoffice-Pflicht fallen
Denn Berset machte im Aargauer Grossratssaal klar, dass er am Mittwoch im Bundesrat das Ende von Quarantäne und Homeoffice-Pflicht beantragen dürfte. Und stellte gar weitere Lockerungen in Aussicht.
Nur um dann den wenigen anwesenden Medienschaffenden gleich den Wind für die nächste Frage aus den Segeln zu nehmen: «Der Ausstieg ist ein Prozess.» Sprich: Die Öffnungen würden nicht alle an einem Tag erfolgen. Der Prozess könne aber «sehr schnell gehen».
Ja, man sagt «Freudentag»
Die Frage nach einem «Freedom Day», den Gewerbekreise fordern, kam trotzdem. Berset erinnerte daran, was in Grossbritannien passierte, als man dort alle Massnahmen auf einmal aufhob. Und er führte aus, er finde den Begriff blöd, weil die Schweiz sich nicht im Krieg befinde. Er rede lieber von einem «Freudentag». «Sagt man das so auf Deutsch?», fragte der Romand in die Runde.
Ja, man sagt so, wenn nach zwei Jahren Pandemie die Aufhebung der Quarantäne angekündigt und die Homeoffice-Pflicht überflüssig wird – und wenn, wie Berset auf Nachfrage weiter ankündigte, die Personen-Obergrenze für private Treffen bald fallen soll. Und in nicht allzu ferner Zeit auch die Zertifikatspflicht im Inland Geschichte sein dürfte.
Fertig Pandemie-Modus
Für Auslandreisen wird das Zertifikat jedoch noch länger obligatorisch sein. Die Masken im öffentlichen Verkehr dürften ebenfalls noch bleiben, Hygienevorschriften und Abstand uns weiter begleiten.
Auch Corona selbst wird nicht verschwinden. Darum brauchen ältere Leute und solche mit einer Vorerkrankung dereinst wohl eine vierte Impfung, vielleicht sogar jährlich einen Booster. Aber wie Berset selber sagte: Er hatte seit Ausbruch der Pandemie nie derart Positives zu vermelden.
Noch vor anderthalb Monaten hatte der Gesundheitsminister nicht davon zu träumen gewagt, was er nun verkünden konnte: dass Omikron zwar tatsächlich ansteckender ist als Delta; dass sich aber tatsächlich auch zeigt, dass deswegen weniger Menschen auf die Intensivstation müssen. Eine Überlastung der Spitäler droht nicht mehr. Auch weil in fast allen Altersgruppen knapp 90 Prozent eine gewisse Immunität aufweisen – entweder genesen oder geimpft sind.
Der Gesundheitsminister hat nicht das Ende von Corona verkündet, aber den Anfang des Ausstiegs aus dem Pandemie-Modus.