Die SVP will einen Bundesrichter abwählen, der ihr Mitglied ist und den sie einst zur Wahl vorschlug: Am Dienstag beschloss eine Mehrheit ihrer National- und Ständeräte, Yves Donzallaz (58) bei der Richterwahl am 23. September die Stimme zu verweigern.
Zuvor hatten die SVP-Vertreter in der Gerichtskommission (GK) versucht, eine Wahlempfehlung zu verhindern. Allerdings dürfte Donzallaz auch ohne Hilfe seiner Partei in der Vereinigten Bundesversammlung genügend Stimmen erhalten.
Aber der Fall des Wallisers befeuert eine Debatte über die Gewaltenteilung: Wie unabhängig entscheiden die von den Parteien portierten Bundesrichter? Und wie lässt sich die Einflussnahme der Parteien auf die Rechtsprechung unterbinden, ohne die ideologisch breite Zusammensetzung des Gerichts zu gefährden?
Parlament könnte Verfahren anpassen
FDP-Ständerat Andrea Caroni (40, AR) skizziert eine Möglichkeit, das System der Richterwahl zu reformieren. Er will dazu eine Volksinitiative nutzen: die sogenannte Justiz-Initiative, die der Bundesrat zur Ablehnung empfiehlt. Sie verlangt, dass Bundesrichter per Los bestimmt werden. «Die Initiative stellt inhaltlich keine Lösung dar», macht Caroni deutlich. Sie ermögliche dem Parlament aber, das Verfahren der Bundesrichterwahl zu überdenken und allenfalls anzupassen. Der Freisinnige: «Mir schwebt ein Gegenvorschlag zur Initiative vor. Den können wir bald in den Rechtskommissionen diskutieren.»
Caroni, derzeit Präsident der Gerichtskommission und Mitglied der Rechtskommission des Ständerats, will die höchsten Richter in Zukunft nur noch für eine Amtszeit wählen: «Bei der Wahl würde man neben der Qualität der Kandidierenden weiterhin auch den Parteienproporz berücksichtigen.» Damit spiegele sich die Vielfalt der Werthaltungen in der Bevölkerung auch in der Zusammensetzung des Gerichts.
Keine Wiederwahl
Caronis Plan sieht keine Wiederwahl vor. So würde den Parteien ein gewichtiges Druckmittel genommen. «Das garantiert die Unabhängigkeit des Gerichts, kein Richter muss auf die Zustimmung seiner Partei schielen», sagt er.
Künftig gäbe es demnach nur noch eine einzige, längere Amtsdauer. Denkbar wären etwa zwölf oder 16 Jahre. «Zugleich muss das Parlament die Möglichkeit haben, im Notfall, das heisst bei schweren Amtspflichtverletzungen, Bundesrichter ihres Amtes zu entheben», sagt Caroni. Eine solche Amtsenthebung durch die Räte ist derzeit nicht möglich. «Heute haben wir faktisch eine Wahl auf Lebenszeit, mit politischem Getöse alle sechs Jahre. Neu hätten wir eine beschränkte Amtsdauer, die aber mehr Unabhängigkeit vom politischen Tagesgeschäft gewährleisten würde», fasst Caroni zusammen.
SP-Aebischer veruteilt Antrag der SVP
Derweil zeichnet sich im Konflikt um Yves Donzallaz eine weitere Entwicklung ab. SP-Nationalrat Matthias Aebischer (52) erklärt: «Der SVP muss ein für alle Mal klargemacht werden: So nicht. Die Gewaltenteilung ist nicht verhandelbar.» Den Antrag zur Nicht-Wiederwahl von Donzallaz verurteilt Aebischer vehement. Es stelle sich die Frage, wie andere Bundesrichter mit solchen Versuchen umgingen: «Donzallaz hat deutlich gemacht, dass dies bei der SVP systematisch der Fall sei.»
Der Berner möchte von allen Bundesrichterinnen und -richtern wissen, ob sie von ihrer Partei unter Druck gesetzt werden. Aebischer: «Dies wäre zum Beispiel eine Aufgabe für die Geschäftsprüfungskommission.»