Experten-Kommission fordert Kahlschlag beim gelben Riesen
Fertig A-Post, nur noch 3 Zustellungen pro Woche, keine Zeitungen

Eine Expertenkommission will aus dem gelben Riesen einen gelben Zwerg machen. Sie schlägt unter anderem vor, dass der Pöstler nicht mehr jeden Tag kommt.
Publiziert: 24.02.2022 um 12:59 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2022 um 14:35 Uhr
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Planen den Kahlschlag: Esther Schlumpf und Christine Egerszegi bei der Pressekonferenz am Donnerstag.
Foto: keystone-sda.ch
Pascal Tischhauser

«Wer Visionen hat, sollte zum Arzt», sagen Spötter. Eine Vision hat auch die von Postministerin Simonetta Sommaruga (61) und der Eidgenössischen Finanzverwaltung eingesetzte Expertenkommission zur Grundversorgung durch die Post.

Nur noch Schneckenpost

Sie hat ihre «Vision 2030» – und diese hat es in sich: Die Briefzustellung soll nur noch dreimal in der Woche erfolgen. Nur noch B-, statt A-Post soll es geben, also nur noch Schneckenpost. Und das Zeitungsvertragen soll nicht mehr zum Grundauftrag der Post gehören. Wegnehmen wollen die Experten der Post auch den Zahlungsverkehr.

Dafür betont die Kommission unter der Leitung der einstigen Aargauer Ständerätin Christine Egerszegi (73) in ihrem Schlussbericht, wie wichtig die Digitalisierung sei. Genau hier ist der Expertenbericht, der am Donnerstag enthüllt wurde, aber besonders vage.

Dicke Post für die Post

Die Kritik an der Vorschlägen des Expertenteams dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Sie kommt wohl gerade aus den ländlichen Regionen.

Doch auch für die Post selbst ist die «Vision 2030» dicke Post. Schliesslich laufen die Pläne der Experten teilweise der eigenen Strategie «Post von morgen» zuwider. Ziel dieser Strategie ist es, den Gewinn wieder zu steigern und weiterhin eigenfinanziert schweizweit Postdienste in der heutigen Qualität anzubieten. Die Zahl der durch die Post betriebenen Filialen soll beispielsweise auf 800 schrumpfen.

Die Experten setzen derweil auf eine «technologieneutralen Zugang» für die Aufgabe von Briefen und Paketen – also fertig Filiale in ländlichen Gebieten.

Zeitungszustellung nicht mehr nötig

Anders als die Zeitungsverlage selbst glauben die vom Bund eingesetzten Experten zu wissen, dass die tägliche Zustellung von gedruckten Zeitungen 2030 ein «Auslaufmodell» sein werde. Folglich brauche sie nicht mehr Teil der Grundversorgung zu sein. Zwar zeigt der Blick in die Glaskugel der Experten, dass gedruckte Wochenzeitungen und -zeitschriften auch künftig noch nachgefragt würden und dass es auch in Zukunft eine Nachfrage nach anonym konsumierbarer Information gebe, also nach Offline-Angeboten. Doch das rechtfertige nicht mehr, dass die Zeitungszustellung zum Grundversorgungsauftrag gehöre.

Jeder Mensch soll nach den Vorstellungen der Experten sein Informationsbedürfnis auch weiterhin mit gedruckten Medien stillen können. Faktisch aber dürften nach dem Willen der Kommission nur noch jene Printprodukte in ihrem Briefkasten finden, die sich deren Zustellung durch Privatfirmen leisten können. Vor allem auf dem Land dürfte es so schwieriger werden, die Zeitung noch in den Briefkasten gesteckt zu bekommen, denn dort lohnt sich das Zeitungsvertragn für Privatfirmen finanziell nicht. Diese Bevorzugung wohlhabenderer Städter ist demokratiepolitisch heikel.

Die Katze beisst sich in den Schwanz

Und auch 2030 soll noch immer jede in der Schweiz wohnhafte Person ein Postkonto haben können. Ja sogar der Zugang für alle beim elektronischen Zahlungsverkehr, zum Beispiel mit Debitkarten oder Bezahl-Apps, soll neu zur Grundversorgung gehören. Aber: Die Experten empfehlen die Entkoppelung der Grundversorgung im Zahlungsverkehr von der postalischen Grundversorgung.

Geht es nach den Plänen der Autoren des Schlussberichts wird der modernisierte Zahlungsverkehrsauftrag öffentlich ausgeschrieben – und die Mehrkosten, die dadurch entstehen, werden den Leistungserbringern finanziell abgegolten.

Hier beisst sich die Katze in den Schwanz: Die Experten scheinen alles zu tun, damit der Staat die Post ja nicht subventionieren muss. Aber man will der Post den Zahlungsverkehr wegnehmen und andere Finanzinstitute, die dieselbe Leistung dann neu erbringen würden, subventionieren.

Nutzen wird nicht gesehen

Gleichzeitig geht dabei vergessen, was alles am Zahlungsgeschäft der PostFinance für die Post-Mutter hängt. Dass also mit dem Wegfall des Zahlungsgeschäfts auch weitere Synergien verloren gehen. Man denke nur schon an die Kunden, die zum Postschalter gehen, um Geld zu holen – und dabei noch eine Briefmarke und einen Schreibblock kaufen.

Die Post hätte somit nicht bloss den Wegfall des Postfinance-Gewinns zu verkraften, sondern deren Fehlen würde es dem gelben Riesen auch noch zusätzlich erschweren, kostendeckend zu arbeiten.

Ähnliches gilt für die eigenbetriebenen Filialen, die die Post in ihrer Strategie als Asset, also als einen Vermögenswert erkennt, mit dem sich ein Mehrwert erzielen lässt – auch ein finanzieller. Denn derzeit versucht die Post mit einem Shop-in-Shop-Konzept andere Unternehmen in die Filialen zu holen – zum Beispiel Versicherungen, aber auch Online-Shops, die neu ebenfalls einen physischen Standort betreiben möchten.

Bericht für die Schublade?

Die Expertenvorschläge werden noch einiges zu reden und zu schreiben geben. Viele Vorschläge dürften sich dabei als untauglich erweisen. Und allenfalls könnte der Schlussbericht dann rasch für immer in einer Schublade verschwinden.

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