Nach Angriff auf Cassis
FDP schiesst gegen Mitte zurück

Ab nächstem Jahr soll die Schweiz im Uno-Sicherheitsrat Einsitz nehmen. Nach dem tagelangen Zögern und Zaudern des Bundesrats zu Sanktionen gegen Russland macht sich die Mitte grosse Sorgen um den Ruf der Schweiz. Nun schiesst die FDP zurück.
Publiziert: 02.03.2022 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2022 um 09:57 Uhr
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Mit seinem tagelangen Zögern und Zaudern bei den Sanktionen gegen Russland hat der Bundesrat kein gutes Bild abgegeben.
Foto: Keystone
Daniel Ballmer

Das will die FDP nicht auf sich sitzen lassen. Normalerweise ist der bürgerliche Partner aus der Mitte nicht für markige Worte bekannt. Die Mitte-Partei versteht sich mehr als Brückenbauerin. Nach dem Rumeiern des Bundesrats bei den Sanktionen gegen Russland hat es aber auch ihr den Hut gelupft.

Ins Visier nimmt die Mitte vor allem Bundespräsident Ignazio Cassis (60) und sein Aussendepartement (EDA). An der Fraktionssitzung vom Dienstag sollen harte Worte gefallen sein. Auch in ihrer Medienmitteilung wird die Mitte ungewohnt deutlich. Ihr Fazit: Im EDA fehlen die nötigen Kompetenzen. Ein kräftiger Tritt ans Schienbein von Departementsvorsteher Cassis.

Mitte macht sich Sorgen wegen Uno-Kandidatur

«Aus dem Umfeld des Bundesrats müssen wir hören, dass die Zustände im EDA verheerend chaotisch sein müssen», verrät ein Mitte-Nationalrat. Allerdings scheine auch die Zusammenarbeit innerhalb der Regierung mehr als nur zu harzen. «Ich begrüsse daher sehr, dass auch wir endlich einmal Zähne zeigen.»

Sorgen macht sich die Mitte gerade auch wegen der Kandidatur für den Uno-Sicherheitsrat. Geht alles nach Plan, wird die Uno-Vollversammlung bereits im Juni die Schweiz für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied wählen. Schon in einem Jahr könnten wir für einen Monat sogar das Präsidium übernehmen. «Nach dem letzten Auftritt darf man sich allerdings gar nicht vorstellen, wenn Cassis im Uno-Sicherheitsrat auftreten muss», kommentiert ein Mitte-Fraktionsmitglied.

«Das trauen wir Cassis schlicht nicht zu!»

Der Sitz im Uno-Sicherheitsrat könne für die Schweiz eine Chance sein, ihre Werte auch in der Welt einfliessen zu lassen. «Es ist aber gleichzeitig ein Risiko für unsere Reputation, wenn wir dort genauso herumlavieren wie bei den Sanktionen gegen Russland», findet auch Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43). «Dort dürfen uns solche Fauxpas nicht passieren.» Parteipräsident Gerhard Pfister (59) betont gegenüber Blick, dass er Bregys Haltung vollumfänglich teile.

Es habe sich gezeigt, dass sich die Schweiz mit solchen Entscheiden immer wieder sehr schwertue. Aber im Uno-Sicherheitsrat müsse sie sich ständig mit solchen Fragen befassen. «So tragisch es klingt: Das trauen wir Cassis schlicht nicht zu!», sagt ein Mitte-Politiker. Der Bundesrat müsse seine Kompetenzen und Abläufe verbessern, hält die Fraktion auch offiziell fest.

Im EDA bestehe dringender Nachholbedarf, findet die Mitte-Fraktion. Es brauche klare Prozesse dafür, wer was wann entscheidet. Und Regeln, wie das Parlament einzubinden ist. Dazu brauche es im Aussendepartement hochqualifiziertes Personal. «Das scheint derzeit nicht gewährleistet zu sein», sagt Bregy. Im Uno-Sicherheitsrat aber gelte es, aktiv mitzuarbeiten und notfalls schnell zu entscheiden.

«Wir haben derzeit kein gutes Gefühl»

Das Debakel rund um die Russland-Sanktionen sei auch kein Einzelfall gewesen, hält Bregy fest. «Bei den Verhandlungen mit der EU wurden ebenfalls Fehler gemacht.»

Dennoch hat die Mitte «nach intensiver Diskussion» grossmehrheitlich beschlossen, einen Vorstoss der SVP für einen Stopp der Kandidatur für den Uno-Sicherheitsrat abzulehnen.

Die Begeisterung scheint allerdings nicht gross zu sein. So stellt Fraktionschef Bregy unmissverständlich klar: «Wir haben mit Blick auf den Einsitz der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat noch viele offene Fragen, die der Bundesrat beantworten muss.»

So mancher in der Fraktion soll jedoch kein gutes Gefühl haben. Für die Schweiz aber gibt es nun kaum ein Zurück mehr. Sollte sie jetzt noch auf die Kandidatur verzichten, hätte das wohl den nächsten Reputationsschaden zur Folge.

«Scheinheilig und vollkommen deplatziert»

Der Angriff aus der Mitte bringt wiederum die Partei von Bundespräsident Cassis auf die Palme. «Die öffentliche Attacke der Mitte-Partei gegen die Regierung und gegen den Bundespräsidenten ist scheinheilig, parteipolitisch motiviert und vollkommen deplatziert», schreibt sie am Donnerstagmorgen in einer Mitteilung. «Undifferenzierte Kritik ist fehl am Platz.»

Gerade in solchen Krisenzeiten müssten alle politischen Kräfte zusammenstehen, betont FDP-Präsident Thierry Burkart (46). Und wettert gleichzeitig gegen die politische Mitte:«Gerade die Mitte, die sich in ihren Papieren als Partei der nationalen Kohäsion gebärdet, entlarvt sich damit als unglaubwürdig.» Nun seien alle aufgefordert, die Landesregierung zu unterstützen und nicht zu schwächen.

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