Der Ständerat hat sich im zweiten Anlauf dazu bereiterklärt, Unternehmen zur Lohnanalyse zu verpflichten. Er hat eine leicht abgeänderte Vorlage des Bundesrats gegen Lohndiskriminierung angenommen. Ziel ist mehr Lohngleichheit zwischen Mann und Frau – allerdings auf freiwilliger Basis für die Unternehmen.
Damit hat der Ständerat eine Kehrtwende vollzogen: Nach einer ersten Beratung in der Frühjahrssession hatte er noch beschlossen, auf Antrag des CVP-Ständerats Konrad Graber (59), die Vorlage zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes an die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) zurückzuweisen. Dies stiess auf heftige Kritik – vorab in den Reihen der (CVP-) Frauen (BLICK berichtete).
Kommissionsvorschlag setzte sich durch
Er sei sich zu Beginn der Diskussion noch nicht sicher gewesen, ob hier Handlungsbedarf bestehe, räumte der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl (60) in der heutigen Debatte ein. Nach zahlreichen Diskussion mit Frauen sei er aber dezidiert der Meinung, dass etwas getan werden müsse. Es gebe in einer Gesellschaft nicht nur einen Generationenvertrag, sondern auch einen Geschlechtervertrag. Und ein solcher Vertrag sei nicht einseitig umsetzbar.
Der Vorschlag, der nun im Ständerat mit 27 zu 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen durchkam, geht weniger weit als jener des Bundesrates. Er sieht vor, dass sowohl private wie auch öffentliche Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden eine Lohngleichheitskontrolle durchführen und diese überprüfen lassen müssen.
Das Gesetz soll spätestens neun Jahre nach Inkrafttreten evaluiert werden und auf zwölf Jahre befristet sein. Arbeitgeber des öffentlichen Sektors sollen verpflichtet werden, die Ergebnisse und Einzelheiten der Lohngleichheitsanalysen zu veröffentlichen.
Ein «zahnloses Büsi»
Die Gegner der Massnahmen führten vor allem arbeitsmarktpolitische Argumente ins Feld. Die Diskussion zum Thema habe inzwischen eine fast «religiöse Dimension» erreicht, sagt der Nidwaldner FDP-Ständeherr Hans Wicki (54). Er streite nicht ab, dass nicht erklärbare Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen existierten. Das bedeute aber nicht automatisch, dass es sich um Lohndiskriminierung handle.
Grundsätzliche Kritik gab es auch aus anderen Motiven: Die Vorlage gehe viel zu wenig weit und werde weitgehend wirkungslos bleiben, monierten etwa der Urner CVP-Ständerat Isidor Baumann (62) und sein Neuenburger FDP-Kollege Raphaël Comte (38). Comte sprach von einem «zahnlosen Büsi».
Eine bürgerliche Minderheit um Hans Wicki wollte Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden lediglich dazu verpflichten, in einer Selbstdeklaration zu bestätigen, dass sie die Lohngleichheit einhalten. Die Analysemethode sollen sie frei wählen können.
Wenn 10 Prozent der Mitarbeitenden es verlangen, sollte das Unternehmen einen Nachweis vorlegen müssen. Auch Unternehmen, die bei öffentlichen Ausschreibungen über die Vergabe entscheiden, sollten belegen müssen, dass sie die Lohngleichheit einhalten. Dieser Vorschlag respektiere die Grundsätze der Wirtschaftsfreiheit und der Selbstverantwortung, sagte Wicki.
Dieses Modell mit der Selbstdeklaration sei reines Placebo ohne Wirkung, kritisierte etwa die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz (61). So bevorzugte der Rat am Ende den Vorschlag der Kommissionsmehrheit.
Halb zufriedene SP
Halb zufrieden zeigte sich Fetz' Partei in einer ersten Stellungnahme. «Von einer Vorlage, die das verfassungsmässige Recht auf gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit garantieren und durchsetzen würde, ist der Ständerat immer noch weit entfernt», schreibt die SP. Die Vorlage sehe leider keine Sanktionen für fehlbare Unternehmen vor – ein zentraler Schwachpunkt, den es zu verbessern gelte.
Fetz bilanzierte schliesslich: «Die Annahme dieser Vorlage ist ein Etappensieg. Es ist ein Symbol, dass wir Lohndiskriminierung nicht mehr hinnehmen. Aber um Lohngleichheit zu erreichen und durchzusetzen, müssen weitere Schritte folgen.» (sda/sf/awi)