Erst fordert Martullo ein neues AKW, jetzt legt Rösti nach
So treibt die SVP die Operation Atom an

Nach dem Atomunglück im japanischen Fukushima im März 2011 schien das Ende der Atomkraft in der Schweiz besiegelt. Zehn Jahre später sieht die Welt anders aus. Die sicher drohende Klimakatastrophe schreckt mehr als ein möglicher AKW-Unfall.
Publiziert: 28.07.2021 um 14:32 Uhr
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SVP-Nationalrat Albert Rösti will das Verbot für neue Atomkraftwerke aus dem Gesetz streichen.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

SVP-Nationalrat Albert Rösti (53) will den Volksentscheid vom 27. Mai 2017 aushebeln. Mit diesem wurde der Bau neuer Atomkraftwerke verunmöglicht. Der frühere SVP-Präsident vollzieht mit seinem Vorhaben den nächsten Schritt im Plan der Volkspartei, ein neues Kernkraftwerk zu bauen. Der Berner beantragt, das Verbot für den Bau neuer AKW zu kippen, wie er gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bestätigt.

Den Startschuss zur Operation Atom gab Parteikollegin und SVP-Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher (51) im Blick-Interview vom letzten Donnerstag. Die Tochter von Parteivordenker Christoph Blocher (80) meinte, man müsse längerfristig «auch Kernkraft wieder in Betracht» ziehen.

Alarmglocken blieben stumm

Bei dieser Aussage stellten sich zwar bei sämtlichen AKW-Gegnern die Nackenhaare auf. Doch es hätten die Alarmglocken läuten müssen: Jemand wie Martullo-Blocher macht solch eine Aussage nicht einfach aus dem hohlen Bauch heraus. Da ist sie «ganz de Bappe».

Das heisst: Hinter den Kulissen steht der Schlachtplan längst. Martullos Interview war nur der erste Streich – und der zweite folgt nun mit Rösti sogleich.

Mit statt gegen Ökos

So einfach ist es aber nicht, gegen den Willen der Umweltschützer einen Volksentscheid zu kippen. Also versucht man es mit ihnen. Schliesslich ist der Öko-Fraktion alles ein Dorn im Auge, was CO2 freisetzt.

So verteufeln Martullo und Rösti die erneuerbare Energieproduktion nicht mehr, wie die SVP das früher tat. «Wasserkraft, Biogasanlagen, hochalpine Solaranlagen und Wasserspeicherwerke» – für all das spreche sich Rösti aus, heisst es im «Tages-Anzeiger». Schliesslich brauche es ja mehr Strom, damit Elektroautos die Benzin- und Dieselautos und Wärmepumpen die Öl- und Gasheizungen ersetzen können.

Achtung: Gaskraftwerke!

Doch das wird nicht reichen, wie Martullo-Blocher warnt. Wenn dereinst die noch verbliebenen AKWs vom Netz gehen und der Zubau von Solar-, Wind- und Wasserstrom ungenügend ist, drohe eine Stromlücke. Gerade in den Wintermonaten wird es knapp.

Dann brauche es wohl Gaskraftwerke, so die SVP – und hier wollen sie die Grünen packen. Denn Gaskraftwerke würden auch wieder CO2 ausstossen, so das Schreckensszenario. Wollen die Umweltschützer dann nicht doch lieber ein neues AKW? Das wäre beinahe CO2-neutral. Mit neuer Technologie. Sicherer, kleiner.

Bund soll es richten

Doch Atomkraftwerke sind enorm teuer. Für die grossen Energieversorger wäre es ein hohes Risiko, ein solches zu finanzieren, worauf Politiker schon nach dem Martullo-Interview hinwiesen.

Eigentlich kann nur ein Staat den Neubau eines Atomkraftwerks finanzieren. Dass am Ende der Staat das finanzielle Risiko für ein neues AKW übernimmt, dürfte in der Schweiz ein schwieriges Unterfangen werden. Aber vielleicht kein völlig unmögliches. Schliesslich will der Bund ja das Klima retten. Ein gutes Argument für die Operation Atom.

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