«Alles ist unfair, das darf nicht sein, was dort passiert»
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Erschütternde Berichte:«Alles ist unfair, das darf nicht sein, was dort passiert»

Erschütternde Berichte aus dem Krieg
«Die Hölle ist jetzt mein Alltag»

Wie geht es den Menschen in der Ukraine? SonntagsBlick hat fünf von ihnen gefragt. Sie erzählen vom Leben zwischen Kindergeschrei und Bomben.
Publiziert: 27.02.2022 um 14:50 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2022 um 15:06 Uhr
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Natalia (38), Marketingspezialistin, Kiew: «Ich habe keine Minute geschlafen.»
Foto: zvg
Fabian Eberhard

Valentyna Kurdyukova (34), Unternehmerin, Kiew
«Die Nacht von Freitag auf Samstag war die schlimmste bisher. Ich habe keine Minute geschlafen. Bomben die ganze Nacht. Ich verstecke mich in einer Tiefgarage, habe Skiunterwäsche an. Wir frieren bei null Grad. Kurz vor Sonnenaufgang schlug eine Rakete in ein Wohnhaus ein. Ich will etwas essen, bringe aber keinen Bissen runter. Sogar nach einem Schluck Wasser wird mir übel vor lauter Angst und Nervosität. So stellte ich mir die Hölle vor – jetzt ist es mein Alltag.»

Natalia (38), Marketingspezialistin, Kiew
«Ich harre mit meiner Tochter in einem Schutzraum aus. Es sind viele Kinder hier, sie spielen. Wir versuchen, sie zu beruhigen. Es ist schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich bin müde. Aber das Kindergeschrei und die Bombeneinschläge – unmöglich, bei diesen Geräuschen einzuschlafen. Ich frage mich die ganze Zeit: Warum? Wir leben in einem europäischen Land, in dem es keinen Platz für dieses Morden geben sollte. Putin lügt alle an. Er tötet Menschen und zerstört mein Land.»

Anton Efremenko (49), Physikdozent, Charkiw
«Um vier Uhr am Donnerstagmorgen erklärte Putin uns den Krieg. Drei Stunden später stand ich im Hörsaal der Universität Charkow. Trotz Raketenangriffen wollte ich unterrichten, den wenigen Studierenden, die aufgetaucht waren, die Panik nehmen. Mittlerweile ist die Lage aber zu gefährlich. Ich schlafe in einem Keller. Von draussen hören wir Explosionen. Sirenen heulen. Wir haben Angst. In einer Strasse bei mir um die Ecke ist eine russische Rakete eingeschlagen. Sie steckt jetzt mitten in der Strasse. Die Nato-Länder müssen uns helfen, Waffen liefern. Wir Ukrainer kämpfen für die Freiheit und für die westlichen Werte. Putin wird auch nicht stoppen, wenn er uns getötet hat.»

Vladislav (27), Analytiker, Dnipropetrowsk
«Die Atmosphäre in der Stadt ist einigermassen ruhig. Ich bin zu Hause, schaue Nachrichten, analysiere die Lage. Ich informiere meine Freunde und Verwandten über die Situation an der Front. Mir scheint, dass die ukrainische Armee der Invasion standhält. Ich vertraue den Soldaten. Dass sie die Eindringlinge zurückschlagen konnten, stimmt mich zuversichtlich. Die ersten fünf bis zehn Tage sind entscheidend. Wir müssen jetzt Ruhe bewahren. Europa muss seine Beziehungen zu Russland komplett abbrechen, das Land isolieren und vom Swift-System ausschliessen.»

Olga (22), Marketingfachfrau, Saporischschja
«Wegen Panikkäufen sind die Regale in den Geschäften leer, Tankstellen geben nicht mehr als 20 Liter Benzin pro Person ab. Die letzten Tage waren ein Wendepunkt in meinem Leben. Von heute auf morgen haben sich Prioritäten und Pläne geändert. Das Schöne ist: Der Krieg bringt die Menschen hier zusammen. Ich bin grenzenlos stolz auf unser Militär und unser Volk. Die Bereitschaft, das Land und seine Familien zu verteidigen, rührt mich. Ich wünsche mir Frieden.»

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