Eigentlich ging es nur darum, die städtischen Dieselbusse mit Elektro-Trolleybussen zu ersetzen. Doch wie so oft entpuppte sich das vermeintlich simple Unterfangen am Ende als komplizierter als gedacht. Jahrelang kam das Projekt nicht voran. Peter Meier, der zuständige Beamte, biss sich an einigen renitenten Hauseigentümern die Zähne aus. Meier heisst eigentlich anders, doch zum Schutz seiner Persönlichkeit haben wir seinen Namen geändert.
Die Hauseigentümer wehrten sich hartnäckig gegen neue Haken und Masten an ihren Fassaden, die es für die neuen Fahrleitungen braucht. Wie ein kürzlich rechtskräftig gewordener Strafbefehl der Bundesanwaltschaft nun zeigt, wusste sich der verantwortliche Beamte Meier irgendwann nur noch mit kriminellen Methoden zu helfen.
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Das erste Gesuch wurde abgeschmettert
Das Fiasko begann Ende 2019. Peter Meier war damals Gesamtprojektleiter für den Ausbau der Elektrobusse und Geschäftsleitungsmitglied der Verkehrsbetriebe St. Gallen (VBSG) – und stand unter grossem Druck.
Sein erstes Gesuch für den Bau neuer Fahrleitungen war vom Bundesamt für Verkehr (BAV) abgeschmettert worden. Es sei «weder vollständig», noch genüge es den rechtlichen Vorgaben, schrieb das Amt, das solche Ausbaupläne bewilligt. Es fehlte unter anderem die Einwilligung der Hauseigentümer.
Meier liess das unangenehme Dossier in einer Schublade verschwinden. Über ein Jahr lang geschah nichts. Dann fragte das BAV erneut bei ihm nach. Der Beamte versicherte «in verschiedenen E-Mails», die angepassten Planunterlagen seien bald bereit. Doch wieder verging ein halbes Jahr. Und nichts passierte.
Die Hauseigentümer wehrten sich weiter hartnäckig. Doch die Batterie-Trolleybusse waren bereits gekauft. Ohne die zusätzlichen Fahrleitungen ging ihnen der Strom aus. Insbesondere im Winter, wenn die Heizungen in den Bussen auf Hochtouren liefen. Es musste darum die alte Dieselflotte wieder aus den Depots geholt werden.
Meier versuchte, die erneute Verzögerung seinen Vorgesetzten zu verheimlichen. Und nicht nur das. Ein paar Monate später setzte er sich an seinen Schreibtisch und passte die Ausbaupläne Punkt für Punkt so an, als hätte das BAV ihm die Bewilligung erteilt. Am Ende kopierte er gar die Unterschriften der Bundesbeamten in das Dokument hinein.
Bundesamt für Verkehr reichte Strafanzeige ein
Doch die Fälschung war stümperhaft und wurde schnell bemerkt. Das BAV reichte Strafanzeige ein. Die Bundesanwaltschaft ermittelte und schreibt heute von einem Zusammenspiel von «Selbstüberschätzung, projektbedingten Verzögerungen infolge langwieriger Gespräche mit Grundeigentümern und Überforderung».
Der Kaderbeamte Peter Meier wurde Ende April wegen Urkundenfälschung verurteilt. Er habe sich zwar nicht persönlich bereichert und auch seine Arbeitgeberin, die Verkehrsbetriebe St. Gallen, nicht finanziell begünstigt. Dennoch sei die Fälschung «kein Kavaliersdelikt», heisst es im Strafbefehl. Sein Handeln verletze das öffentliche Vertrauen in die «Verlässlichkeit und Pflichttreue von Beamten». Da Meier allerdings ein «vollumfängliches Geständnis» ablegte und «aufrichtige Reue» zeigte, kommt er mit einer bedingten Geldstrafe und einer Busse davon. Er möchte sich heute nicht mehr zur Sache äussern.
Vor kurzem gab es unter einer neuen Projektleitung doch noch eine Einigung mit den Hauseigentümern. Und grünes Licht aus Bern – zumindest für einen ersten Teilabschnitt. «Ich habe mir ein Gläschen Wein gegönnt», sagte der Chef der Verkehrsbetriebe dem «St. Galler Tagblatt».
Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Noch ist das Projekt nicht vollständig abgeschlossen. Es fehlen noch immer rund 1500 Meter Fahrleitungen und zwei weitere Abschnitte für die vollständige Elektrifizierung des St. Galler ÖV. Und auch nicht alle Dieselbusse werden per sofort aus der Stadt verschwinden: Einige erreichen erst etwa 2030 ihr Lebensende und werden bis dahin als Reserve dienen. Für den Notfall, heisst es, etwa wenn einer der E-Busse in den Service muss, ein Unfall oder «sonst etwas Unvorhergesehenes passiert». Man weiss ja nie.