Einführung der Individualbesteuerung
So will der Bund die Heiratsstrafe abschaffen

Jeder soll künftig eine eigene Steuererklärung ausfüllen, auch wenn er oder sie verheiratet ist. Und für alle soll der gleiche Tarif gelten. Der Bundesrat hat am Freitag seine Vorschläge zur Individualbesteuerung präsentiert.
Publiziert: 02.12.2022 um 14:08 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2022 um 15:25 Uhr
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Der Bundesrat will die Heiratsstrafe abschaffen.
Foto: PETER SCHNEIDER

Eine Steuererklärung pro Ehepaar? Das soll bald vorbei sein. Im Bundesgesetz für die Individualbesteuerung stellt der Bundesrat für Ehepaare mit nur einem Haupteinkommen oder einem geringen Zweiteinkommen zwei Varianten zur Diskussion: Bei der einen sollen Ehepaare, die durch die Reform mehr Steuern zahlen müssten, durch einen Abzug von bis zu 14'500 Franken entlastet werden, bei der anderen nicht.

Entlastungsmassnahmen sind auch für Steuerpflichtige mit Kindern geplant. Der Kinderabzug soll von heute 6500 Franken auf 9000 Franken pro Kind steigen. Für Alleinstehende und Alleinerziehende ist ein Abzug von 6000 Franken vorgesehen, weil Haushalte, die aus mindestens zwei erwachsenen Personen bestehen, beispielsweise tiefere Wohnkosten haben.

Die meisten sollten weniger zahlen

Mit der Individualbesteuerung dürfte die Mehrheit der Personen bei der direkten Bundessteuer entlastet werden – insbesondere Ehepaare mit gleichmässiger Einkommensaufteilung sowie zahlreiche Rentner-Ehepaare. Der Bundesrat rechnet derzeit mit Mindereinnahmen von einer Milliarde Franken. Davon entfallen rund 800 Millionen Franken auf den Bund und rund 200 Millionen Franken auf die Kantone.

Die Individualbesteuerung ist gemäss den Bundesratsplänen auf allen Staatsebenen vorgesehen. Die Kantone müssten die Reform somit auf Kantons- und Gemeindeebene umsetzen. Wie sich das auf die Steuerlast auswirkt, ist noch offen.

Bis zu 47'000 Vollzeitstellen mehr

Der Bund rechnet mit positiven Beschäftigungseffekten, da es insbesondere für verheiratete Zweitverdienende attraktiver wird, mehr zu arbeiten. Die Umsetzung der Individualbesteuerung auf allen Staatsebenen könnte zu bis zu 47'000 Vollzeitstellen führen, wie der Bundesrat schreibt.

Heute werden in der Schweiz verheiratete Paare und gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, gemeinsam besteuert. Gehen beide Personen einer Erwerbstätigkeit nach, müssen sie wegen der Progression höhere Steuern bezahlen als Konkubinatspaare mit zwei getrennten Steuerveranlagungen.

Dies führt dazu, dass viele Ehefrauen aus steuerlichen Gründen ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder auf sie verzichten. Damit einher gingen Karrierestopp, finanzielle Abhängigkeit und Altersarmut, sind die Befürwortenden einer Individualbesteuerung überzeugt. Es gehe um eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau im Steuerrecht und um das Aufbrechen traditioneller Rollenbilder.

Heiratsstrafe ist verfassungswidrig

Die Individualbesteuerung und die Abschaffung der Heiratsstrafe sind jahrelange politische Anliegen. Das Bundesgericht hatte bereits 1984 entschieden, dass die steuerliche Diskriminierung verheirateter und eingetragener Paare gegenüber Konkubinatspaaren verfassungswidrig ist.

2016 hatte das Stimmvolk die Volksinitiative der damaligen CVP «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» äusserst knapp abgelehnt. Weil der Bund falsche Zahlen vorgelegt hatte, entschied das Bundesgericht später, dass die Abstimmung aufzuheben sei.

Das nun vorgeschlagene Gesetz über die Individualbesteuerung soll als indirekter Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP Frauen gelten. Die Initiative empfiehlt der Bundesrat zur Ablehnung, weil die Gesetzgebungsarbeiten bereits fortgeschritten seien. Bis am 16. März 2023 können Kantone, Parteien und Organisationen zum Entwurf Stellung nehmen. (SDA/sf)

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