Sie versuchten den Schein zu wahren: Als Ursula Wyss (45, SP) und Alec von Graffenried (56, GFL) 2017 um das Amt des Stapi kämpften, vermieden sie gegen aussen jegliche Konfrontation.
Doch das war alles Fassade: Hinter den Kulissen tobte ein schmutziger Wahlkampf, wie ihn Bern selten erlebt hatte. Und das zwischen zwei Gesinnungsgenossen. So wurden gezielt Gerüchte gestreut, es wurde mit Indiskretionen hantiert. Vertrauliche E-Mails machten die Runde.
Davon hat Wyss genug. Wie sie in der «Berner Zeitung» sagte, tritt sie 2020 nicht mehr an. Acht Jahre in der Stadtregierung reichen ihr. Nochmals will sie sich einen derartigen Wahlkampf nicht mehr antun.
Der Sohn von Ursula Wyss musste für den Wahlkampf herhalten
Das Wyss-Lager behauptete Anfang 2017, von Graffenried versuche nebulös Einfluss auf eine Amtsstelle zu nehmen. Und von Graffenrieds Wahl-Mannschaft schreckte nicht vor Wyss' Familie zurück: Sie machte es zum Thema, dass ausgerechnet Sozialdemokratin Wyss ihren Sohn auf eine Privatschule schickt. Oder sie hausierten mit dem Führerausweisentzug von Wyss bei den Medien.
Am Ende entschieden sich die Wähler für von Graffenried: Mit 57,9 Prozent schlug das Mitglied der Grünen Freien Liste (GFL) die Genossin. Und die beiden mussten fortan in der Stadtberner Regierung zusammenarbeiten. «Wir werden nicht am letzten halben Jahr, in dem wir uns gestritten haben, anknüpfen», sagte der Sieger zu SRF. «Sondern an den 20 Jahren, die wir uns vorher kennen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sehr rasch wieder in einen kooperativen Modus wechseln können.»
Zusammen im Nationalrat gewesen
Die beiden Politiker kannten sich vor allem auch aus dem Bundesparlament: Von Graffenried sass als Mitglied der Grünen-Fraktion ab 2007 für acht Jahre im Nationalrat. Wyss war bereits 1999 in die grosse Kammer gewählt worden. Von 2006 bis 2012 war sie als SP-Fraktionschefin im Bundeshaus eine der wichtigsten Spitzenpolitikerinnen ihrer Partei.
Am 25. November 2012 wurde Wyss dann in die fünfköpfige Berner Stadtregierung gewählt, weshalb sie auch per März 2013 aus dem Nationalrat zurücktrat.
Doch eben, bei der Stichwahl zum Stadtpräsidenten im Januar 2017 unterlag Wyss gegen von Graffenried für die Nachfolge des langjährigen SP-Stapis Alexander Tschäppät (†66).
«Zäme geits» war von Graffenrieds Motto im Wahlkampf gewesen. Künftig «geits» in der Bundesstadt dann ohne Ursula Wyss. (vfc)