Berns alt Stadtpräsident Alexander Tschäppät ist tot
Tschou Tschäppu!

Berns ehemaliger Stadtpräsident Alexander Tschäppät ist am Freitag im Alter von 66 Jahren im Kreis seiner Familie verstorben. Tschäppät erlag nach monatelanger Krankheit seinem Krebsleiden.
Publiziert: 05.05.2018 um 10:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:07 Uhr
Sermîn Faki

Alexander Tschäppät (†66) ist tot. Der alt Stadtpräsident von Bern verstarb nach schwerer Krankheit am Freitag im Kreise seiner Familie.

Noch in der Frühjahrssession im Nationalrat: Der am Freitag verstorbene Berner alt Stadtpräsident Alexander Tschäppät.
Foto: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Man hat den früheren Berner Stadtpräsidenten gemocht oder auch nicht. Gekannt haben ihn alle, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Denn Tschäppät regierte die Bundesstadt nicht. Tschäppät war Bern. Seit er 2004 erstmals zum Stapi gewählt worden war, gab er der Stadt Herz und Gesicht. Ein Herz, das er auf der Zunge trug und das sich auch schon mal kräftig im Ton vergriff.

Applaus, Empörung, Wiederwahl

Etwa, als ihm Ende 2013 auf einer Comedy-Bühne nichts Besseres einfiel als Italienerwitze zu reissen. Oder 2010, als YB-Fan Tschäppät sich, berauscht von einem Sieg des Berner «Schuttclubs», auf eine Bühne schwang und SVP-Grössen als «Motherfuckers» besang. 

Manche Berner applaudierten. Die meisten empörten sich. Und doch wählten sie ihn  wieder ins Amt – mit noch besserem Ergebnis: 69,9 Prozent der Stimmen erhielt er bei seiner letzten Wahl 2012. Ein schier unglaubliches Ergebnis für einen, der so stark polarisierte.

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Alexander Tschäppät mit seiner Lebenspartnerin Christine Szakacs bei einer Veranstaltung Ende 2017 in Bern.
Foto: Peter Gerber

Tschäppät war wie die Reitschule

Doch mit Tschäppät war es wie mit der Reitschule: Viele regen sich über das alternative Kulturzentrum am Berner Bahnhof – oder eben den «Schandfleck von Bern» – auf. Aber es gehört eben genauso zur Stadt an der Aare wie «Alex», wie man ihn nannte, wenn man ihn mal in der unteren Altstadt bei einem Glas Wein traf. Wobei es zumindest früher zumiest nicht bei einem Glas blieb.

Schon sein Vater Reynold Tschäppät war Berner Stadtpräsident. Damit war Alex' Weg in den Erlacherhof, dem Berner Stapi-Sitz, aber keineswegs vorgespurt. Nach seiner Matura ging er erstmal in die USA. Er studierte erst Jus, jobbte währenddessen als Reiseleiter und wurde nach Abschluss des Studiums Fürsprecher, später Gerichtspräsident.

Stapi war seine Paraderolle

In die Politik stieg der junge Tschäppät erst nach dem Tod seines Vaters ein, für die SP. Von 1979 bis 1991 gehörte er dem Stadtberner Gemeindeparlament an, ab 2001 dann der Stadtregierung, von 2004 bis 2016 als Stapi.

Stadtpräsident sollte seine Paraderolle werden – weil er sie nicht spielen musste. Er war es. Und das in der ganzen Schweiz. Er war der bekannteste Stadtpräsident des Landes – «was auch nicht schwierig ist, bei dieser Konkurrenz», meinte er einmal.

Tschäppät zeigte sich gern in Bern. Stets mit dem roten Velo in seiner roten Stadt unterwegs, die rote Krawatte um den Hals. Während andere Mitglieder der heutigen Stadtregierung es nicht nötig haben, den Bürger unten auf der Strasse vom hohen Drahtross herab zu grüssen, war das für Tschäppät selbstverständlich. Er hatte ein offenes Ohr für jeden und jede. Er wollte den Ärger und die Sorgen der Bürger teilten. Das hat er gemocht.

Immer eine Meinung

Und eben: Mit dem Herz auf der Zunge. Als Tschäppät mit einem rauschenden Fest aus dem Amt verabschiedet wurde, sagte Bundesrätin und Parteikollegin Simonetta Sommaruga (57), der Alex sei «nie langweilig» gewesen, stets habe man ein Kribbeln verspürt in Erwartung eines Ausrutschers oder eines Seitenhiebs – «auf jeden Fall hatte er immer eine Meinung».

Diese Meinung musste sich nie zu 100 Prozent mit jener seiner Partei decken. So hatte man auch im Nationalrat, in dem er von 1991 bis 2003 und nochmals von 2011 bis zu seinem Tod für die SP sass, oft das Gefühl, Tschäppät sitzt für Bern im Parlament und erst in zweiter Linie seine Partei.

Das einzige, bei dem Tschäppät keinen Spass verstand, das war sein Bern. «Für mich ist Bern die schönste Stadt der Welt. Ich weiss, dass das jeder Stadtpräsident von seiner Stadt behauptet. Der Unterschied ist nur: In Bern stimmt es!» Diesen Spruch – vom Vater geklaut übrigens – hat Tschäppät immer wieder gebracht.

Das Amt hat ihm gefehlt

Letztlich war es wohl diese Begeisterung für die Stadt, die ihn immer wieder ins Amt gehievt hat. Denn Begeisterung für Bern, das ist hier oberste Bürgerpflicht. Da mögen die Steuern hoch, die Wirtschaft unbedeutend und der Spott aus dem Millionenzürich gross sein. Tschäppät liebte sein Bern innig.

Er konnte sich grenzenlos über Leuchtreklamen aufregen, wollte Plastikstühle und Werbesonnenschirme aus Altstadt verbannen und über die «Mediterraneisierung mit Palmen und Lounges» wettern. Sein Bern hatten schön zu sein und zu bleiben.

Foto: KEY

Zum Schluss noch ein Wunder

Die freie Zeit mit alten Freunden zu verbringen und im Rosengarten zu sitzen – das war nichts für ihn. Wenn er wie jeden Tag vor 6 Uhr aufgestanden ist, mit den Hunden rausging, Kaffee getrunken und Zeitungen gelesen hatte, «dann ist es erst halb 10 und der Tag ist noch so lang», meinte er einmal im vergangen Jahr. Das hat er nicht gemocht. Denn sein Amt, es hat ihm gefehlt. Und so hat er «eine Bude» aufgemacht. Das «Büro für Angelegenheiten», eine Kampagnen-Garage – in einer Garage.

Ganz zum Schluss – hoffentlich hat er es trotz Krankheit noch tief in sich aufnehmen können – wurde Tschäppät nochmals ein Wunder von Bern geschenkt. YB, der «Schuttclub» seines Herzens, wurde nach 32 Jahren wieder Meister. Man möchte wetten, er hatte die gelb-schwarz geringelten Socken an.

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Tschäppät hinterlässt eine Lebenspartnerin, zwei erwachsene Söhne – und eine Stadt, die ohne ihn etwas weniger schön ist.

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