Er gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Schweizer Politik. Zwölf Jahre amtete Alexander Tschäppät (65) als Stadtpräsident der Bundesstadt, seit 1991 ist der Sozialdemokrat mit einem Unterbruch Mitglied des Nationalrats.
Wer sich in Bern umhört, der weiss: Alexander Tschäppät ist Bern, und Bern ist Tschäppät. Jeder kennt ihn, jeder mag ihn, selbst wenn er nicht mit allen seinen politischen Ideen einverstanden ist. Er ist eben einer aus dem Volk, einer von ihnen.
Leider ist der beliebte, volkstümliche Politiker in den letzten Monaten und Wochen selber immer öfter der Auslöser für anteilnehmende Gespräche. Grund ist die schwere Krankheit, an der Tschäppät leidet. Er hat Krebs. Darüber reden will er nicht. Er wolle aus seinem Schicksal keine grosse Sache machen und lieber über das Leben statt über seine Erkrankung sprechen, sagt er im Gespräch mit SonntagsBlick.
In der Familie tankt er Kraft
Die Sache ist jedoch fatalerweise ernst. So hat er sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er widmet seine ganze Kraft der Familie und seinem politischen Mandat. Im Familien- und Freundeskreis tankt er die Kraft für sein Engagement für seine Lieblingsstadt.
Und leider ist es auch traurige Realität: Die morgen Montag beginnende Frühlingssession der eidgenössischen Räte könnte für den Genossen, je nach Krankheitsverlauf, eine der letzten sein. Alexander Tschäppät will auf jeden Fall erscheinen. «Das gedenke ich sehr wohl zu tun», erklärt er.
In der Politik hat er auch noch einiges zu tun. Noch in der Herbstsession reichte er einen Vorstoss ein, der viel zu reden geben wird. Tschäppät möchte nämlich, dass Wochenaufenthalter auch dort steuerpflichtig werden, wo sie effektiv arbeiten.
Ganz Tschäppät eben. Er weiss, dass gerade in seinem Bern viele unter der Woche wohnen, dem Fiskus aber anderswo ihren Obolus entrichten. Geld, das der Bundesstadt fehlt. Für den Juristen und Notar eine echte Ungerechtigkeit.
«Die Spunten werden weniger»
Genauso wie sein echtes Bedauern, als vor einiger Zeit das «Tübeli» – eine Kontaktbar – an der Rathausgasse in der Berner Altstadt seine Pforten schloss. «Die Stammgäste, die Prostituierten, die sollen auch ihren Platz haben. Wo sollen sie denn künftig hin? Sie gehören zu unserer Gesellschaft, ob uns das nun passt oder nicht», sagt der Ex-Stapi. Sie seien Teil der Vielfalt der Stadt. «Überhaupt werden die Spunten weniger, in denen man auch als Aussenseiter willkommen ist.»
So tickt Tschäppät, das «sozialdemokratische Animal politique», wie es sein Biograf Philipp Schori (35) in seiner Biografie «Tschäppät» ausdrückt. Und so mögen ihn die Menschen – in Bern und anderswo. Eine Menschlichkeit, die in der heutigen Zeit immer seltener wird.