Auf einen Blick
- Bundestag debattiert über Arbeitszeiten, Schweiz plötzlich im Mittelpunkt
- Politiker streiten über Effektivität längerer Arbeitszeiten
- Schweizer arbeiten durchschnittlich 1495 Stunden pro Jahr, Deutsche 1332 Stunden
Am letzten Sitzungstag des Jahres flogen im Deutschen Bundestag noch einmal die Fetzen. Das Parlament in Berlin debattierte über Arbeitszeiten – und ob sie flexibler werden sollen. Das fordert allen voran die FDP.
Die Diskussion wird seit Monaten geführt. Nun stand plötzlich die Schweiz im Mittelpunkt. Es ging um die Frage, ob unser Land ein Vorbild oder eher ein abschreckendes Beispiel ist. Fakt ist: Schweizer Arbeitnehmer rackern aufs Jahr gerechnet deutlich mehr als ihre deutschen Kollegen.
Ist länger arbeiten weniger effektiv?
Auslöser war der SPD-Abgeordnete Mathias Papendieck (42). Er wurde in der Debatte grundsätzlich – und kritisierte Forderungen nach längeren Arbeitszeiten. Dazu müsse man sich eines klarmachen, sagte Papendieck: «Mehr arbeiten heisst doch nicht mehr Effektivität. Jemand, der wenig arbeitet, kann auch sehr effektiv sein.»
Das wollte der CSU-Abgeordnete Max Straubinger (70) nicht auf sich sitzen lassen. In einem spitzen Zwischenruf fragte er: «Glauben Sie, dass die Schweizer nicht effektiv sind?»
Papendieck antwortete zunächst nicht. Daraufhin meldete Straubinger offiziell eine Zwischenfrage an. «Herr Kollege Papendieck, Sie haben gerade ausgeführt, dass Volkswirtschaften, in denen mehr gearbeitet wird als bei uns, nicht effektiv sind», sagte der CSU-Mann. «Wollen Sie das zum Beispiel der Volkswirtschaft der Schweiz unterstellen?» Schliesslich arbeiteten die Arbeitnehmer dort 200 Stunden im Jahr mehr.
Bevor Papendieck darauf eingehen konnte, lieferte FDP-Politiker Otto Fricke (59) die Krönung des verbalen Schlagabtauschs. In einem Zwischenruf – er ist im Protokoll verzeichnet – bemerkte er bissig-ironisch: «Die Schweizer sind also faul!»
Papendieck konterte: Es sei nicht so, dass jemand, der zum Beispiel 48 oder 50 Stunden in der Woche arbeite, «schlichtweg effektiver ist als jemand, der 35 Stunden arbeitet». Diese Aussage löste wiederum heftigen Widerspruch aus.
Längere Arbeitswochen in der Schweiz
Gemessen an den geleisteten Arbeitsstunden pro erwerbstätige Person liegt die Schweiz klar vor Deutschland – wenn auch nicht ganz 200 Stunden. Laut Statistik liegt die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in der Schweiz bei 1495 Stunden, in Deutschland bei 1332 Stunden. Dies ist unter anderem auf die längeren Wochenarbeitszeiten zurückzuführen.
Wer in der Schweiz ein Vollzeit-Pensum hat, arbeitet vergleichsweise viel. Im Jahr 2022 betrug die tatsächliche Wochenarbeitszeit der Vollzeitangestellten hierzulande 42,7 Stunden. In Deutschland waren es 38,9 Stunden.
Die «Bild»-Zeitung kommentierte bereits pointiert: «Die Deutschen sollen statt weniger wieder mehr arbeiten – weil die Wirtschaft immer weiter abschmiert.» Eine Entscheidung in der Arbeitszeit-Debatte ist im Berliner Parlament vor der Weihnachtspause noch nicht gefallen.
Im Bundestag gehören Provokationen und Sticheleien während der Debatten übrigens fest dazu. Auch wenn die Zwischenrufe nicht immer auf Video aufgezeichnet werden, führen Stenografen darüber akribisch Protokoll.