Coop schmeisst Palmöl aus dem Regal
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Problem für den Detailhandel:Coop schmeisst Palmöl aus dem Regal

Detailhändler verfolgen unterschiedliche Strategien
Coop schmeisst Palmöl aus dem Regal

Palmöl ist heftig umstritten, vor allem wegen der Umweltbelastung. Das wissen auch die Detailhandels-Riesen Coop und Migros. Im Umgang mit dem Fett haben sie ganz unterschiedliche Strategien gewählt.
Publiziert: 23.02.2021 um 21:40 Uhr
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Aktualisiert: 27.03.2021 um 12:11 Uhr
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Der Stein des Anstosses: die kleine, rund sechs Zentimeter grosse Frucht der Ölpalme.
Foto: Getty Images
Daniel Ballmer

Mit der Abstimmung vom 7. März über das Freihandelsabkommen mit Palmöl-Gigant Indonesien ist der Rohstoff auch in der Schweiz wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Denn Palmöl ist zwar günstig und für die industrielle Verarbeitung bestens geeignet. Die Umweltschäden sind jedoch immens. Die Rodung riesiger Regenwälder treibt den Klimawandel voran. Gleichzeitig werden lokale Bauern und viele Tierarten verdrängt.

Wie gehen nun die beiden Schweizer Detailhandels-Riesen Coop und Migros mit Palmöl um? Nachhaltig geben sich beide gerne: Grün sind sie sich deswegen aber noch nicht. Zumindest nicht beim Palmöl, das auch bei ihren Kunden umstritten ist. Die beiden Grossverteiler schlagen jedoch ganz unterschiedliche Wege ein.

«Palmöl ist schlecht, also muss es weg!»

Die Migros schwört auf nachhaltige Produktion. «Die Migros kennt bei 98 Prozent des in unseren Food-Eigenmarken verwendeten Palmöls die Plantagen», betont Konzern-Sprecher Patrick Stöpper. Dabei werde sichergestellt, dass keine Regenwälder abgeholzt, keine Torfmoore zerstört und keine kritischen Pestizide verwendet werden. Auch bei den sozialen Bedingungen sei die Migros streng.

Wie die Migros allein auf Nachhaltigkeit zu vertrauen, das reicht Konkurrent Coop nicht. Palmöl ist schlecht, also muss es weg, scheint eher Coops Devise zu sein. Das Unternehmen ist deshalb laufend daran, die Menge an konventionellem Palmöl zu senken. Zumindest bei seinen Food-Eigenmarken. Ersetzt werden soll es etwa durch heimisches Raps- oder Sonnenblumenöl.

«Aktuell haben wir bereits rund 100 Eigenmarken-Produkte im Bereich Lebensmittel umgestellt», sagt Coop-Sprecherin Melanie Grüter. So werden «Bärentatzen» neu mit Rapsöl und «Schoggi-Schümli» mit Sonnenblumenöl hergestellt. Auch für die Margarinen in Eigenmarke wird kein Palmöl mehr verwendet. Gleiches gilt für Weihnachtskugeln, Schokolade- oder Haselnuss-Brotaufstriche.

Bis Ende Jahr will Coop seine Palmöl-Vision umgesetzt haben. «Für uns ist wichtig, dass die Produkte geschmacklich überzeugen», sagt Grüter. Das ist gerade bei der Umstellung auf Alternativen wie Kokosöl wegen seines Eigengeschmacks nicht immer ganz einfach.

So ungesund ist Palmöl

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE mag kein Palmöl. Allerdings: «Es ist immer eine Frage der Häufigkeit und Menge, in der ein Lebensmittel konsumiert wird», sagt SGE-Sprecherin Charlotte Weidmann. Experten empfehlen aber eher Pflanzenöle mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren wie Walnuss- oder Leinöl.

Naturbelassen hat Palmöl durchaus Vorteile. So zeichne es sich etwa aus durch Vitamin-E-Formen, die als gefäss- und nervenschützend gelten, verweist Weidmann auf Untersuchungen des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften.

Sobald Palmöl aber industriell verarbeitet ist, sieht die Sache anders aus. So steht es im Verdacht, an der Entstehung von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes beteiligt zu sein. Noch seien aber nicht alle Bestandteile abschliessend bewertet, betonen Experten.

Einen schlechten Ruf hat das Palmöl aber vor allem, weil für die Ölpalm-Monokulturen Urwald gerodet und damit der Lebensraum vieler bedrohter Tiere zerstört wird.

Derzeit gibt es keine offiziellen Daten zum Palmölverbrauch in Europa. Für Frankreich wird der Verbrauch derzeit auf zwei Kilo pro Person und Jahr geschätzt. (dba)

Palmöl kann durchaus gesund sein – bis es industriell bearbeitet wird. Dann sieht es meist anders aus.
Getty Images

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE mag kein Palmöl. Allerdings: «Es ist immer eine Frage der Häufigkeit und Menge, in der ein Lebensmittel konsumiert wird», sagt SGE-Sprecherin Charlotte Weidmann. Experten empfehlen aber eher Pflanzenöle mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren wie Walnuss- oder Leinöl.

Naturbelassen hat Palmöl durchaus Vorteile. So zeichne es sich etwa aus durch Vitamin-E-Formen, die als gefäss- und nervenschützend gelten, verweist Weidmann auf Untersuchungen des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften.

Sobald Palmöl aber industriell verarbeitet ist, sieht die Sache anders aus. So steht es im Verdacht, an der Entstehung von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes beteiligt zu sein. Noch seien aber nicht alle Bestandteile abschliessend bewertet, betonen Experten.

Einen schlechten Ruf hat das Palmöl aber vor allem, weil für die Ölpalm-Monokulturen Urwald gerodet und damit der Lebensraum vieler bedrohter Tiere zerstört wird.

Derzeit gibt es keine offiziellen Daten zum Palmölverbrauch in Europa. Für Frankreich wird der Verbrauch derzeit auf zwei Kilo pro Person und Jahr geschätzt. (dba)

Coop-Lösung überzeugt bei Migros nicht

Das wiederum ist für die Migros keine Lösung. Sprecher Stöpper nennt gleich zwei Gründe: Zwar spürt auch der orange Riese eine Nachfrage nach Alternativen. «Der Ersatz von Palmöl ist jedoch nicht überall möglich», sagt er. Es habe Einfluss auf Konsistenz, Farbe oder die Verbindung zu den übrigen Zutaten. Die Migros überprüfe zwar laufend ihre Rezepturen: «Palmöl lässt sich aber nicht immer ohne Qualitätseinbusse ersetzen.»

Und zweitens sei der Ersatz durch Kokosöl nicht immer nachhaltiger. Denn Palmöl ist viel produktiver und kann mehrmals im Jahr geerntet werden. Heisst: Für andere Öle sind noch grössere Anbauflächen nötig. Die kritisierten Umweltprobleme würden nur auf andere Öle verlagert, ist die Migros überzeugt.

Auch bei Aldi und Lidl ein Thema

Für Konsumentenschützerin Sara Stalder (54) hat diese Argumentation etwas, dennoch meint sie: «Man macht es sich teilweise aber auch etwas einfach und ruht sich auf dem Bisherigen aus.» Oft würden Probleme jahrelang schöngeredet. Das habe sich etwa gezeigt bei der Nährwert-Ampel, Bisphenol-A-Kassenzetteln oder Bioprodukten in Plastikverpackung. «Wird endlich eine Lösung umgesetzt, lobt sich der Detailhändler über den grünen Klee», so Stalder. Verschwiegen werde aber der vorherige Widerstand.

Zweigleisig gehen Aldi und Lidl beim Palmöl vor. «Bei Lidl Schweiz laufen seit einigen Jahren Bemühungen zum Ersatz von Palmöl durch andere Pflanzenöle», sagt Kommunikationschefin Vanessa Meireles. Das handhabt Aldi genau gleich. Aber: «Da wir noch nicht ganz auf Palmöl verzichten können, ist eine nachhaltige Produktion und ein verantwortungsvoller Handel für uns umso wichtiger», betont Kommunikationsleiterin Vanessa Senn. Beide Unternehmen werben damit, dass alles verwendete Palmöl zu 100 Prozent zertifiziert sein müsse.

«Da wäre viel mehr möglich»

Was heisst das jetzt aber in diesem Fall für die Kunden? Hat die Annahme des Freihandelsabkommens mit Indonesien Einfluss auf unser Portemonnaie? Nein, sagen Coop und Migros – zumindest nicht direkt. Die Migros etwa bezieht bis heute gar kein Palmöl aus Indonesien. Es kommt von den Solomon Islands, aus Kolumbien und Kambodscha.

Wieder anders bei Coop. Hier ist durchaus mit Preiserhöhungen zu rechnen. Aber nicht wegen des Abkommens, sondern weil das billige Palmöl etwa durch Butter ersetzt wird. Coop setze sich für faire und marktgerechte Preise ein, betont Sprecherin Grüter – nicht nur gegenüber den Kunden, sondern auch den Produzenten. Und: «Wir geben nur unvermeidbare Preiserhöhungen weiter.»

Rohstoff-Kosten nicht so entscheidend

«Coop und Migros ziehen sich sehr gerne ein grünes Mäntelchen an, aber da wäre viel mehr möglich», findet Konsumentenschützerin Stalder. Bei vielen Lebensmitteln mache der Rohstoff einen verschwindend kleinen Teil des Preises aus. Ausschlaggebend seien vielmehr Verarbeitung, Handel, Bewerbung und Verpackung.

Gerade bei verarbeiteten Produkten sei die Marge der Detailhändler zudem sehr gross, so Stalder. «Die jährlichen Gewinne in regelmässig dreistelliger Millionenhöhe beweisen, dass weitere Preissenkungen oder bessere Bezahlung der Rohstoff-Lieferanten drinlägen.»

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