Heiratsstrafe kommt nochmals vors Volk
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Bundesgericht hat entschieden:Heiratsstrafe kommt nochmals vors Volk

CVP-Präsident Gerhard Pfister zum Heiratsstrafen-Urteil
«Es waren historisch krasse Fehler»

Gerhard Pfister ist zufrieden mit dem Entscheid des Bundesgerichts, die Volksabstimmung zur Heiratsstrafe zu wiederholen, wie der CVP-Chef im Interview sagt. Nun seien der Bundesrat und das Parlament am Zug. Und womöglich brauche es dann kein zweites Volksverdikt mehr.
Publiziert: 10.04.2019 um 14:50 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2019 um 18:31 Uhr
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CVP-Präsident Gerhard Pfister (56) freut sich über den Entscheid des Bundesgerichts.
Foto: Keystone
Nico Menzato
Nico MenzatoBundeshaus-Redaktor

Herr Pfister, das Volk muss nochmals über die CVP-Volksinitiative «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» abstimmen. Das Bundesgericht hat Ihnen recht gegeben. 
Gerhard Pfister: Erstmals in der Geschichte der Schweiz muss eine nationale Abstimmung wiederholt werden. Das ist ein historischer Entscheid. Aber es waren  historisch falsche Informationen und historisch krasse Fehler des Bundesrats vor der Abstimmung. Nicht 80'000 Zweiverdiener-Ehepaare sind von der Heiratsstrafe betroffen, wie vom Bundesrat im Abstimmungskampf gesagt worden ist, sondern 454'000. Das ist mehr als das Fünffache.

Sind Sie zufrieden mit dem Verdikt des Bundesgerichts?
Aus staatspolitischer Sicht ist der Entscheid richtig. Sonst hätte dies das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der bundesrätlichen Informationen im Volk erschüttert. Mit dem Entscheid, die Abstimmung zu wiederholen, bleibt das Vertrauen in die direkte Demokratie erhalten. Es ist ein Entscheid für die politischen Rechte der Schweizer. 

Das Bundesgericht macht Ihrer CVP auch ein schönes Geschenk. Sie haben Ihr Lieblingsthema zurück – und dies im Wahljahr.
Wir haben den Volksentscheid von 2016 immer akzeptiert. Wichtig ist aber, dass es nun eine neue Möglichkeit gibt, dass die ungerechte Heiratsstrafe endlich abgeschafft wird.

Wie soll es jetzt weitergehen?
In der Verantwortung ist jetzt der Bundesrat. Er muss eine neue Botschaft ausarbeiten und Stellung beziehen. Dann ist das Parlament am Zug. Auch dieses hat aufgrund der gravierenden Fehlinformationen der Behörden unsere Initiative abgelehnt. Womöglich entscheidet dieses ja jetzt mittels Gegenvorschlag für die Abschaffung der Heiratsstrafe. Dann wird womöglich gar der Rückzug der Initiative zum Thema. Wenn nicht, kann das Volk nochmals entscheiden.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Bundesrat ohne neue Botschaft und Parlamentsdebatte einfach einen neuen Abstimmungstermin ansetzt. 
Das ist für uns kein gangbarer Weg. Es braucht eine Neubeurteilung durch Bundesrat und Parlament.

Das ist die Heiratsstrafe

Die Heiratsstrafe betrifft die direkte Bundessteuer. Heute müssen Ehepaare, bei denen beide Partner berufstätig sind und das Haushaltseinkommen höher ist, mehr direkte Bundessteuer zahlen als gleich gut verdienende Konkubinatspaare. Wenn diese Benachteiligung mehr als zehn Prozent beträgt, spricht man von der Heiratsstrafe. Der maximale Grad der Diskriminierung beträgt 84 Prozent. Er betrifft jene Ehen, bei denen jeder Ehepartner 75'000 bis 125'000 Franken Jahreseinkommen erzielt.

Auch wenn die CVP-Initiative abgelehnt wurde – und das Bundesgericht die Abstimmung für ungültig erklärt hat: Der Bundesrat will diese steuerliche Diskriminierung abschaffen. Er schlägt vor, dass er künftig zwei Steuerrechnungen erstellt: zuerst die gemeinsame Veranlagung als Verheiratete und dann die alternative Steuerbelastung als Konkubinatspaar. Bezahlen müssten die Ehepaare dann den tieferen Beitrag. Der Bundesrat schätzt, dass ihn das jährlich rund 1,15 Milliarden Franken kosten wird. Die Vorlage kommt in der Herbstsession 2019 in den Ständerat. (sf)

Die Heiratsstrafe betrifft die direkte Bundessteuer. Heute müssen Ehepaare, bei denen beide Partner berufstätig sind und das Haushaltseinkommen höher ist, mehr direkte Bundessteuer zahlen als gleich gut verdienende Konkubinatspaare. Wenn diese Benachteiligung mehr als zehn Prozent beträgt, spricht man von der Heiratsstrafe. Der maximale Grad der Diskriminierung beträgt 84 Prozent. Er betrifft jene Ehen, bei denen jeder Ehepartner 75'000 bis 125'000 Franken Jahreseinkommen erzielt.

Auch wenn die CVP-Initiative abgelehnt wurde – und das Bundesgericht die Abstimmung für ungültig erklärt hat: Der Bundesrat will diese steuerliche Diskriminierung abschaffen. Er schlägt vor, dass er künftig zwei Steuerrechnungen erstellt: zuerst die gemeinsame Veranlagung als Verheiratete und dann die alternative Steuerbelastung als Konkubinatspaar. Bezahlen müssten die Ehepaare dann den tieferen Beitrag. Der Bundesrat schätzt, dass ihn das jährlich rund 1,15 Milliarden Franken kosten wird. Die Vorlage kommt in der Herbstsession 2019 in den Ständerat. (sf)

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