Heiratsstrafe kommt nochmals vors Volk
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Bundesgericht hat entschieden:Heiratsstrafe kommt nochmals vors Volk

Bundesgericht annulliert Abstimmung
Volk muss nochmals über Heiratsstrafe abstimmen

Erstmals in der Geschichte der Eidgenossenschaft muss eine nationale Abstimmung wiederholt werden.
Publiziert: 10.04.2019 um 12:25 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2019 um 20:27 Uhr
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Das Bundesgericht hat entschieden, dass das Volk nochmals über die Abschaffung der Heiratsstrafe abstimmen soll.
Foto: Keystone

Das gabs noch nie: Das Bundesgericht hat die Abstimmung über die Abschaffung der Heiratsstrafe annuliert. Vier von fünf Bundesrichtern haben sich dafür ausgesprochen, die Volksabstimmung über die Heiratsstrafe-Initiative der CVP aufzuheben.

Entwicklung unklar

Erstmals in der Schweizer Geschichte muss damit eine nationale Volksabstimmung wiederholt werden. Und hier fängt auch das Problem an: Weil es das noch nie gab, ist völlig unklar, wie der Prozess jetzt weitergeht.

So weiss man nicht, ob direkt nochmals abgestimmt wird oder ob die Vorlage zuerst ins Parlament kommt. Noch komplizierter wird es, weil sich der Bundesrat ohnehin bereit erklärt hat, die Heiratsstrafe abzuschaffen.

Schriftliches Urteil lässt auf sich warten

Auch der Bundesrat, der eine ziemliche Ohrfeige verpasst bekam, lässt sich nicht in die Karten schauen. Es sei eine neue Situation, so Vizekanzler André Simonazzi vor den Bundeshausmedien. Der Bundesrat wolle die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesgerichts abwarten, um das weitere Vorgehen zu bestimmen. Diese Begründung wird, wie das Bundesgericht in Lausanne gegenüber BLICK bestätigt, in ein bis drei Monaten vorliegen.

Auch die hocherfreute CVP – Siegerin des heutigen Tages – kann mit diesem Vorgehen leben. Sie fordert dennoch bereits, dass der Bundesrat eine neue Botschaft ans Parlament überweist. Denn nicht nur das Stimmvolk, auch das Parlament sei über das Ausmass der Heiratsstrafe falsch informiert gewesen.

Sehr knappes Nein

Die CVP-Initiative mit dem Titel «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» wurde am 28. Februar 2016 abgelehnt. 16 Kantone und ein halber sagten zwar Ja, doch scheiterte die Initiative am Volksmehr – wenn auch knapp mit 50,8 Prozent der Stimmenden.

Die CVP wollte in die Verfassung schreiben, dass verheiratete Ehepaare nicht bestraft werden dürften gegenüber Paaren mit anderer Lebensform, namentlich bei der Besteuerung und bei den Sozialversicherungen.

Bundesrat hatte sich verrechnet

Der Bundesrat empfahl das Begehren zur Ablehnung. Im Abstimmungsbüchlein wurde die Zahl von 80'000 Doppelverdiener-Paaren sowie rund 250'000 Rentner-Ehepaaren genannt, die von der sogenannten Heiratsstrafe betroffen seien. Die Schätzung zu den Doppelverdienern stammte aus der Botschaft zur Volksinitiative.

Im Juni 2018 korrigierte die Regierung dann die Zahlen und räumte einen gewaltigen Irrtum ein. Nicht 80'000 Zweiverdiener-Ehepaare waren demnach von der Heiratsstrafe betroffen, sondern 454'000. Die Zahl der durch eine Heiratsstrafe diskriminierten Ehepaare betrug nach der Korrektur 704'000.

Für die CVP war diese Korrektur Anlass für Abstimmungsbeschwerden in mehreren Kantonen. Nach der Abweisung durch die Kantonsregierungen wandte sich die Partei ans Bundesgericht. Dieses entscheidet am Mittwoch in einer öffentlichen Beratung über die Eingaben. (sf/SDA)

Das ist die Heiratsstrafe

Die Heiratsstrafe betrifft die direkte Bundessteuer. Heute müssen Ehepaare, bei denen beide Partner berufstätig sind und das Haushaltseinkommen höher ist, mehr direkte Bundessteuer zahlen als gleich gut verdienende Konkubinatspaare. Wenn diese Benachteiligung mehr als zehn Prozent beträgt, spricht man von der Heiratsstrafe. Der maximale Grad der Diskriminierung beträgt 84 Prozent. Er betrifft jene Ehen, bei denen jeder Ehepartner 75'000 bis 125'000 Franken Jahreseinkommen erzielt.

Auch wenn die CVP-Initiative abgelehnt wurde – und das Bundesgericht die Abstimmung für ungültig erklärt hat: Der Bundesrat will diese steuerliche Diskriminierung abschaffen. Er schlägt vor, dass er künftig zwei Steuerrechnungen erstellt: zuerst die gemeinsame Veranlagung als Verheiratete und dann die alternative Steuerbelastung als Konkubinatspaar. Bezahlen müssten die Ehepaare dann den tieferen Beitrag. Der Bundesrat schätzt, dass ihn das jährlich rund 1,15 Milliarden Franken kosten wird. Die Vorlage kommt in der Herbstsession 2019 in den Ständerat. (sf)

Die Heiratsstrafe betrifft die direkte Bundessteuer. Heute müssen Ehepaare, bei denen beide Partner berufstätig sind und das Haushaltseinkommen höher ist, mehr direkte Bundessteuer zahlen als gleich gut verdienende Konkubinatspaare. Wenn diese Benachteiligung mehr als zehn Prozent beträgt, spricht man von der Heiratsstrafe. Der maximale Grad der Diskriminierung beträgt 84 Prozent. Er betrifft jene Ehen, bei denen jeder Ehepartner 75'000 bis 125'000 Franken Jahreseinkommen erzielt.

Auch wenn die CVP-Initiative abgelehnt wurde – und das Bundesgericht die Abstimmung für ungültig erklärt hat: Der Bundesrat will diese steuerliche Diskriminierung abschaffen. Er schlägt vor, dass er künftig zwei Steuerrechnungen erstellt: zuerst die gemeinsame Veranlagung als Verheiratete und dann die alternative Steuerbelastung als Konkubinatspaar. Bezahlen müssten die Ehepaare dann den tieferen Beitrag. Der Bundesrat schätzt, dass ihn das jährlich rund 1,15 Milliarden Franken kosten wird. Die Vorlage kommt in der Herbstsession 2019 in den Ständerat. (sf)

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