Crypto-Skandal bedroht den Ruf der Schweiz
«Dann haben wir ein ernsthaftes Problem»

Der Crypto-Skandal kann den guten Ruf der neutralen Schweiz beschädigen. Davon sind Experten überzeugt. Besonders dann, wenn die Schweizer Behörden davon gewusst haben.
Publiziert: 13.02.2020 um 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2020 um 10:47 Uhr
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Der Spionage-Skandal um die Zuger Firma Crypto hält die Schweiz in Atem.
Foto: Manuel Geisser
Daniel Ballmer, Ladina Triaca, Tobias Bruggmann

Das Image der Schweiz könnte unter dem Spionage-Skandal leiden, ist Politikwissenschaftler Laurent Goetschel (54) überzeugt. «Wenn die Schweiz zwischen Staaten vermittelt oder als Briefträgerin Nachrichten übermittelt, dann ist sie auf das Vertrauen der Staaten angewiesen», betont der ehemalige persönliche Mitarbeiter von alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (74). «Dieses Vertrauen könnte durch die Crypto-Leaks geschwächt werden.»

48 Stunden Krisenmodus

Das sieht Ex-Diplomat Philippe Welti (70) genauso. «Auf den ersten Blick steht die Schweiz natürlich ganz schlecht da», sagt der ehemalige Schweizer Botschafter in Teheran (Iran). «Nun kommt es auf die nächsten 48 Stunden an.» Könne der Bundesrat ausländische Regierungen davon überzeugen, dass hier nicht der Staat tätig war, sondern eine Privatfirma, dann könne die Schweiz allenfalls auf Verständnis hoffen. Welti: «Sie kann das grosse Reputationsrisiko vielleicht doch noch etwas abwenden.»

Kritisch zeigt sich auch Historiker Thomas Buomberger (68). «Die Schweiz hat bewusst die Augen vor dem Problem verschlossen», sagt der Spezialist für die Rolle der Schweiz im Kalten Krieg. «Man wollte nicht sehen, was hier passiert ist. Denn es wäre sehr unangenehm für die Schweizer Regierung gewesen, wenn das Ausland herausgefunden hätte, was hier geschah.»

«Vertrauensbruch»

Wichtig ist nun, was Regierung und Behörden tatsächlich gewusst haben. «Falls der Bundesrat von den Spionageaffären wusste und dem Export der manipulierten Geräte dennoch zustimmte, wäre das ein Vertrauensbruch gegenüber den ausspionierten Staaten», erklärt Goetschel.

Der Skandal könne dem Ruf der Schweiz schaden, findet auch Cenni Najy (34) von der Denkfabrik Foraus. Doch damit die Schweiz auch gegen das Neutralitätsrecht verstösst, müsse man dem Bundesrat nachweisen können, dass er im Konfliktfall tatsächlich ein Land bevorzugt habe.

Privat oder staatlich?

Gelassener zeigt sich Ex-Botschafter und ehemaliger SP-Nationalrat Tim Guldimann (69): «Ich bin skeptisch, dass dieser Fall auf den guten Ruf der Schweiz zurückfallen wird.» Grundsätzlich gehe es hier um eine private Firma. Noch sei völlig unklar, wie viel die Schweizer Behörden tatsächlich wussten.

Kritischer ist Professor Goetschel: Neutralität bedeute, dass man die verschiedenen Parteien in Konflikten gleich behandelt. «Wenn die Schweiz den USA hilft, den Iran abzuhören, und umgekehrt dem Iran diese Möglichkeit verwehrt, dann ist das ein Problem», hält er fest.

Besonders überrascht über die Enthüllungen ist er allerdings nicht. «Es ist davon auszugehen, dass die ‹Grossen› – die Russen, die Chinesen, die Amerikaner ­– ohnehin mithören», sagt Goetschel. Es gebe heute vermutlich kaum nachrichtendienstliche Systeme, die nicht abgehört würden.

«Bundesbern ist jetzt natürlich im Krisenmodus», sagt Ex-Botschafter Welti. «Wäre ich noch in Bern, würde ich mir Sorgen machen.» Denn sollte der Schweizer Nachrichtendienst irgendwie beteiligt gewesen sein, «dann haben wir ein ernsthaftes Problem».

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