Über die Zuger Firma Crypto AG haben der US- und der deutsche Geheimdienst jahrzehntelang andere Staaten ausspioniert. Historiker Thomas Buomberger (68), Spezialist für die Rolle der Schweiz im Kalten Krieg, kritisiert die Aufsicht des Nachrichtendiensts.
BLICK: Thomas Buomberger, sind Sie überrascht über die neusten Enthüllungen?
Thomas Buomberger: Mich überrascht das Ausmass: Über 100 Länder erhielten über 30 Jahre lang manipulierte Maschinen! Aber es gab schon öfter Anzeichen, dass die Schweiz nicht so neutral ist, wie sie sich selbst darstellt. Man musste unser Land während des Kalten Kriegs klar dem westlichen Lager zurechnen.
Hätte man schon früher herausfinden können, dass CIA und BND eine Schweizer Firma zum Spionieren nutzen?
Die Anzeichen, dass die Schweiz eine Drehscheibe für Spionage ist, waren da. Die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments und die Aufsicht des Nachrichtendiensts haben zu wenig hingeschaut. Die Schweiz hat bewusst die Augen vor dem Problem verschlossen. Man wollte nicht sehen, was hier passiert ist. Denn es wäre sehr unangenehm für die Schweizer Regierung gewesen, wenn das Ausland herausgefunden hätte, was hier geschah.
Was bedeuten die Enthüllungen jetzt für die Schweiz?
Das ist ein gewaltiger Reputationsverlust. Der Status der Schweiz als neutrales Land wird angezweifelt werden.
Aber Spionage war doch zu Zeiten des Kalten Kriegs normal.
Spionage hat immer zum politischen Geschäft gehört, das ist richtig. Die Schweiz ist wegen ihres Standorts in Europa auch prädestiniert für Überwachungsaktionen. Dass die Schweiz in diesem Mass den Westen bevorzugt hat, ist aber problematisch.
Mussten die anderen Länder nicht damit rechnen, eine manipulierte Maschine zu kaufen? Der Iran verhaftete schon 1992 einen Verkäufer der Crypto AG und beschuldigte ihn der Spionage.
Das ist schwierig zu beurteilen. Vielleicht gab es Anhaltspunkte, andererseits muss man sich fragen, warum die anderen Länder diese Maschinen gekauft hätten, wenn sie annehmen mussten, dass sie manipuliert waren.