Corona-Fallzahlen steigen wieder
Cerny fordert Massnahmen wie in Deutschland

Die Corona-Herbstwelle rollt an: Fallzahlen und Spitaleinweisungen steigen wieder. Braucht es wieder Schutzmassnahmen? Experten sind sich nicht einig.
Publiziert: 05.10.2022 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2022 um 23:14 Uhr
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Der Herbst hält Einzug – und mit ihm die nächste Corona-Welle. Im Bild: Touristen geniessen den sonnigen Tag auf Pilatus Kulm.
Foto: keystone-sda.ch
Sara Belgeri

Die Corona-Fallzahlen steigen wieder. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete am Dienstag 25'134 Neuansteckungen mit Covid. Im Vergleich zu letzter Woche ist das eine Zunahme von rund 49 Prozent. Auch die Spitaleinweisungen haben im Vergleich zur Vorwoche um fast 37 Prozent zugenommen. Müssen wir uns wieder auf Massnahmen einstellen?

Das müssten letztlich die Gesundheitsbehörden entscheiden, sagt Infektiologe Huldrych Günthard (61) vom Universitätsspital Zürich. Dabei spiele auch eine Rolle, ob man die Gesellschaft etwa vor Long Covid schützen wolle. Fakt ist: Im Moment liegt die Verantwortung für allfällige Massnahmen bei den Kantonen – diese werden voraussichtlich nicht vor dem 21. Oktober entscheiden. Dann findet nämlich die nächste Sitzung des Vorstands der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) statt.

Tanner warnt vor Angstszenarien

Das heisst: Im Moment ist Eigenverantwortung angesagt. «Wenn man sich selber schützen will, ist es sinnvoll, im ÖV oder an anderen hochfrequentierten Orten wieder eine Maske zu tragen», so Günthard. Auch der Basler Epidemiologe Marcel Tanner (70) sagt: «Menschen können mit Händedesinfektion, gezieltem Maskentragen, dem Reduzieren von engen Kontakten und Lüften schon viel machen.»

Wichtig sei momentan, die Situation zu beobachten – und sicher keine Angstszenarien zu verbreiten, so Tanner. Die Infektionen nähmen zwar wieder zu, über neue Massnahmen solle man aber erst sprechen, wenn schwere Erkrankungen zunehmen und das Gesundheitssystem wieder überbelastet werde, so der Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

Kaum flächendeckende Massnahmen in der Schweiz

Ganz anderer Meinung ist Andreas Cerny (65), Infektiologe aus Lugano. Angesichts der steigenden Fallzahlen und des abnehmenden Impfschutzes befürwortet er jene Massnahmen, die seit dem 1. Oktober wieder in Deutschland gelten: Im öffentlichen Verkehr, in Spitälern und Arztpraxen muss die Maske getragen werden. «Die Anwendung in geschlossenen, engen Räumen, wo mehrere Personen zusammenkommen, ist ebenfalls sinnvoll wie das kurze, regelmässige Lüften in engen Räumen», so Cerny.

Infektiologe Günthard geht allerdings davon aus, dass in der Schweiz keine flächendeckenden Massnahmen mehr eingeführt werden. «Ausser die Situation wird wieder so schlimm, dass wir kein Pflegepersonal, keine Lehrerinnen und Tramchauffeure haben.»

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Keine Entwarnung für den Winter

Infektiologe Günthard plädiert daher für einen zweiten Booster. Empfohlen wird dieser derzeit nur für Über-65-Jährige, Risikopatienten und Schwangere. Wenn diese Personen sich impfen lassen und zusätzlich auch eine Grippeimpfung machen, könnte man den Druck auf die Spitäler erheblich verhindern. Auch das Spitalpersonal könnte sich mit einer zweiten Booster-Impfung schützen und so Übertragungen verhindern.

Dennoch hofft Günthard, dass sich viele Leute impfen lassen – auch diejenigen, denen es nicht explizit empfohlen wird –, um die anrollende Welle zu brechen. Schliesslich hätte man mit einer Impfung doch bessere Voraussetzungen, einen schweren Krankheitsverlauf zu vermeiden. «Wir sollten versuchen, eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen», so Günthard.

«Corona ist nicht nur einfach eine Grippe»

Auch das sieht Tanner anders: Zwar unterstützt er die zweite Booster-Impfung für Menschen über 65 Jahren und Risikopatienten. Angesichts der hohen Immunität – sei es durch die Impfung oder durch eine Infektion – findet er jedoch nicht, dass sich alle erneut boostern lassen sollten. Zudem seien die aktuell zirkulierenden Virusvarianten zwar sehr infektiös, würden in der Regel aber nicht zu schweren Verläufen führen.

Trotz milderen Verläufen sei es wichtig, dass man nicht in Gleichgültigkeit verfalle, widerspricht Günthard: «Corona ist nicht nur einfach eine Grippe.» Es sei daher weiterhin wichtig, dass man sich testen lasse oder zum Hausarzt gehe, um herauszufinden, ob man sich mit einer Grippe oder mit Corona angesteckt habe. Das gelte insbesondere für ältere Menschen und solche mit Risikofaktoren. Es gebe nämlich Medikamente für Corona, die vor einem schweren Verlauf schützen können – man müsse diese aber früh einnehmen.

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