Die heutige Tarifgestaltung verstosse gegen das Rechtsgleichheitsgebot, weil kleine Unternehmen benachteiligt würden, urteilt das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen. Bei der degressiven Tarifgestaltung müssen kleinere Unternehmen verhältnismässig mehr Gebühren bezahlen als grosse Unternehmen
Vorerst bleibt alles beim Alten
Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verhältnismässigkeit bleibt der aktuelle Tarif jedoch bis zur nächsten Verordnungsänderung anwendbar, wie die Richter am Freitag bekannt gaben. Die in den angefochtenen Verfügungen festgesetzten Beiträge für die Unternehmensabgabe 2021 bleiben demnach geschuldet.
Dem Bundesrat wird vom Gericht aber nahegelegt, bei der nächsten Überprüfung eine progressive oder teilweise lineare Ausgestaltung der Unternehmensabgabe in Betracht zu ziehen.
Gegen die von der Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) erhobenen Gebühren hatten vier Unternehmen Beschwerde eingereicht. Für das Bundesverwaltungsgericht hat die abnehmende Tarifgestaltung zur Folge, dass kleinere Unternehmen einer höheren Steuerbelastung ausgesetzt sind als umsatzstarke.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Unternehmensabgabe aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht als Kausalabgabe «im weiteren Sinn», sondern als Steuer zu qualifizieren.
Der Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Tarife bereits 2019 gerügt
Gemäss Mehrwertsteuergesetz richtet sich bei Unternehmen die Abgabe nach dem weltweiten Gesamtumsatz, der gegenüber ESTV deklariert wird. Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu einer halben Million Franken sind von der Abgabe befreit.
Für die anderen Unternehmen setzte der Bundesrat per 1. Januar 2021 einen 18-stufigen Tarif in Kraft, nachdem der vorherige Tarif vom Bundesverwaltungsgericht 2019 als nicht verfassungskonform beurteilt worden war. Ausserdem können sich Unternehmen nach geltendem Recht zusammenschliessen und gemeinsam nur eine Abgabe entrichten, sofern die Gruppe aus mindestens dreissig Unternehmen besteht und sie unter einheitlicher Leitung stehen.
Auch die Bildung von Abgabegruppen ist gemäss dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gesetzes- und verfassungswidrig. Zum einen fehle dafür eine gesetzliche Grundlage, und zum anderen sei die festgelegte Untergrenze von dreissig Unternehmen willkürlich und komme nur wenigen Unternehmen zugute.
Debatte über Kürzung
Vor Wochenfrist hatte der Bundesrat mit Medienminister Albert Rösti (56) über eine mögliche Senkung der Radio- und TV-Abgaben informiert. So will der Bund die Medien-Gebühren schrittweise bis im Jahr 2029 von 365 Franken auf 300 Franken pro Jahr senken.
Ausserdem sollen ab 2027 über 60'000 Unternehmen nicht mehr zur Kasse gebeten werden. Neu sollen Unternehmen erst ab einem Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Franken abgabepflichtig werden. Dadurch würden rund achtzig Prozent der Unternehmen von der Abgabe befreit werden.
Der Vorschlag des Bundesrats ist ein Konter auf die Halbierungs-Initiative, die er zur Ablehnung empfiehlt. Das Initiativkomitee fordert in seinem Volksbegehren eine Senkung der Radio- und TV-Gebühren auf 200 Franken pro Haushalt und Jahr. Dem Komitee gehörte zum Zeitpunkt der Lancierung auch der aktuelle Medienminister Rösti an.
Im Vorschlag des Bundesrates ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht berücksichtigt, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) auf Anfrage bekannt gibt. Das Bakom will nun zusammen mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung das Urteil analysieren, bevor es das weitere Vorgehen festlegt. (SDA/bro/bö)
Das Urteil im Detail hier zum Nachlesen.