Die Mitteilung klang nach einem Lichtblick für Mieterinnen und Mieter. Der Bundesrat hat am Mittwoch angekündigt, das Problem der Mietzinsexplosion angehen zu wollen. Die Rede ist von «gezielten, kurzfristig umsetzbaren Massnahmen», die man ergreifen wolle – um die Entwicklung «etwas zu dämpfen».
Denn am 1. Dezember dürfte der Bund bereits die nächste Erhöhung des Referenzzinssatzes bekannt geben. Für viele Haushalte bedeutet das der zweite Mietzinsschock innert eines halben Jahres. Im Juni war der für die Mieten massgebliche Referenzzinssatz erstmals gestiegen.
«Bundesrat blieb 15 Jahre untätig»
Allzu grosse Erwartungen dürfen die Mieter nicht haben. Der Mieterverband ist denn auch sehr enttäuscht. Es sei zwar ein Anfang, dass der Bundesrat das Problem anerkenne, sagt Verbandspräsident Carlo Sommaruga (64). Das wars dann aber auch mit Positivem. «Die Vorschläge kommen viel zu spät und gehen viel zu wenig weit», findet der Genfer SP-Ständerat.
Parteikollegin Jacqueline Badran (62) befürwortet die Massnahmen grundsätzlich, kritisiert aber ebenfalls, dass der Bundesrat viel zu lange zugewartet habe. «Die Mieten steigen seit 2008 unaufhörlich, obwohl sie wegen der tiefen Zinsen massiv hätten sinken sollen. Der Bundesrat hat zugeschaut, wie die Mietenden zu den Milchkühen der Nation wurden.»
Folgendes hat der Bundesrat konkret vor – und was sich damit wirklich verbessert:
- Überwälzung der Teuerung: Vermieter können den Mietzins nicht nur erhöhen, wenn der Referenzzins steigt. Weitere Gründe sind die Teuerung und sogenannte «allgemeine Kostensteigerungen», beispielsweise wegen Unterhaltsarbeiten. Von der Teuerung dürfen Vermieterinnen heute höchstens 40 Prozent auf die Mietenden überwälzen. Künftig sollen es nur noch 28 Prozent sein. Das sei ein absoluter Nebenschauplatz, kritisiert Mietverbands-Präsident Carlo Sommaruga. Die Auswirkungen auf die Mieten seien minim.
- Keine pauschalen Aufschläge: In der Deutschschweiz besteht die Praxis, dass Vermieter jedes Jahr pauschal eine allgemeine Kostensteigerung geltend machen dürfen – egal, ob sie wirklich höhere Kosten haben oder nicht. Solche Pauschalen sollen künftig nicht mehr erlaubt sein. Badran begrüsst diese Massnahme. Der Hauseigentümerverband warnt, dass das für die Schlichtungsstellen mehr Arbeit bedeute.
- Mehr Infos für Neumieter: Manche Neumieterinnen und -mieter erhalten zusammen mit dem Mietvertrag ein Formular des Kantons. Dort soll neu nicht nur die Miete vermerkt sein, die ihre Vorgänger zahlten, sondern auch der frühere und aktuelle Referenzzins und die Teuerung. Das soll es den Mietern einfacher machen zu prüfen, ob der Anfangsmietzins rechtens ist – oder ob er angefochten werden sollte. Allerdings: In den allermeisten Kantonen erhalten die Mieter gar kein solches Formular. Eine Pflicht gibts nur in Basel-Stadt, Genf, Luzern, Zug, Zürich sowie in einigen Gemeinden der Kantone Neuenburg und Waadt. Eine schweizweite Formularpflicht, wie sie Linke schon lange fordern, steht weiterhin nicht zur Debatte.
- Mehr Infos bei Mietzinserhöhung: Für alle Kantone gilt, dass Vermieter ihre Mieter mit einem bestimmten Formular über eine Mietzinserhöhung informieren müssen. Künftig soll darauf ein zusätzlicher Hinweis prangen. Und zwar, dass man eine Erhöhung auch anfechten darf, wenn man den Verdacht hat, dass der Vermieter einen überrissenen Gewinn macht oder die Miete nicht orts- oder quartierüblich ist. Der Mieterverband kritisiert, dass auch diese Massnahme höchstens einen winzigen Effekt hätte.
Kommt hinzu: «Kurzfristig» ist beim Bundesrat ein dehnbarer Begriff. Die Änderungen können frühestens Anfang 2025 in Kraft treten, bestätigt Martin Tschirren, Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen. Denn erst im Sommer ist geplant, die konkreten Vorschläge bei Kantonen, Verbänden und anderen Involvierten in die Vernehmlassung zu schicken.
Schwierige Zeiten für Mietende
Bundesrat prüft Systemwechsel
Tschirren selbst räumt ein, dass die Wirkung der vorgeschlagenen Massnahmen «nicht immens gross» sein werde. «Wenn man weitergehen wollen würde, müsste man das ganze System grundlegend ändern. Und dazu gibt es bisher keine politischen Mehrheiten», sagt er zu Blick. Wolle man etwas erreichen, müsse man deshalb in kleinen Schritten vorwärtsgehen.
Der Bundesrat denkt aber auch über einen grösseren Schritt nach. Das Wirtschaftsdepartement wurde beauftragt zu prüfen, ob das heutige Modell, wie die Mietzinse berechnet werden, noch zeitgemäss ist. Bis ein Ergebnis vorliegt, dürfte noch viel mehr Zeit ins Land gehen – und die Mieten weiter steigen.