Wie im Juni angekündigt, ergreift Finanzminister Ueli Maurer (67) Schutzmassnahmen für die Schweizer Börse. Das ist nötig, weil die EU nicht gewillt ist, den Schweizer Börsen unbefristet zu bestätigen, dass ihre Regulierung gleichwertig mit derjenigen der EU-Börsen ist. Wie sieht dieser Plan aus? Warum ist er nötig? Und was sind seine Folgen? BLICK bringt Licht in den Finanzdschungel!
Warum muss der Bundesrat die Schweizer Börsen schützen?
Weil die EU ihnen die unbefristete Gleichwertigkeitsanerkennung verwehrt. Bis Ende Jahr gilt die Anerkennung für unsere Börsen noch. Aber bis jetzt hat Brüssel diese Frist nicht verlängert. Was technisch unbegründet ist, denn die Schweizer Börsen erfüllen alle Kriterien.
Und warum gibt es dann die Anerkennung nicht?
Brüssel will uns piesacken – weil der Bundesrat sich nicht überwinden kann, den fertig verhandelten Rahmenvertrag mit der EU zu unterschreiben. Der Vertrag hat nämlich Klauseln drin, die in der Schweiz nicht mehrheitsfähig sind. Beispielsweise soll unser Lohnschutz gelockert werden, aber auch die Unionsbürgerrichtline und der Angriff auf die Staatsbeihilfen fänden kaum eine Mehrheit in unserem Land. BLICK hat das Problem mit dem Rahmenvertrag hier erklärt.
Was bedeutet es, wenn die Schweizer Börse die Anerkennung nicht erhält?
Dann dürfen EU-Banken oder -Wertschriftenhändler Aktien, die an europäischen Börsen gehandelt werden, nicht mehr an der Schweizer Börse kaufen oder verkaufen. Für die Banken ist das kein Problem – sie können auf andere Handelsplätze wie London, Paris oder New York ausweichen. Ein Problem aber haben die Schweizer Börsen: Denn EU-Händler bringen der Schweizer Börse den Grossteil ihres Umsatzes. Keine Anerkennung – kein Geschäft, heisst die einfache Gleichung.
Und was macht der Bundesrat jetzt dagegen?
Einen ziemlich cleveren Schachzug: Sobald Brüssel die Gleichwertigkeit der Schweizer Börse nicht mehr anerkennt, führt Bern eine Anerkennungspflicht für ausländische Börsen ein. Diese Anerkennung würden EU-Handelsplätze aber nicht erhalten. Und so dürften sie nicht mehr mit Schweizer Aktien handeln, wenn diese auch an den Schweizer Börsen gelistet sind. Zwei namhafte Ausnahmen gibt es: Die Börse Stockholm dürfte weiterhin mit ABB-Aktien handeln, weil die Papiere des Industriekonzerns aus historischen Gründen auch dort kotiert sind. Und Lafarge-Holcim-Aktien dürften weiterhin in Paris gehandelt werden.
Und was bringt dieser Plan?
Er hat zwei Effekte: Erstens fällt für die europäischen Börsen ein bisschen was von ihrem Umsatz weg, wenn sie nicht mehr mit Schweizer Aktien handeln dürfen. Richtig wehtun wird es ihnen aber kaum. Aktien von Roche, Nestlé und Co. machen nur etwa drei Prozent ihres Umsatzes aus. Zweitens – und das ist viel interessanter – braucht die Schweizer Börse die Anerkennung der EU mit dem Plan B nicht mehr. Denn die Anerkennung umfasst nur den Handel mit Aktien, die auch an einer EU-Börse gehandelt werden. Und das wäre ja nicht mehr der Fall. Das heisst: EU-Aktienhändler dürften doch wieder an der Schweizer Börse handeln. Mit dem Schachzug setzt Bern Brüssels Drohkulisse schachmatt.
Wie sind die Reaktionen?
Brüssel reagierte im Juni, als Maurer den Plan B vorstellte, offiziell gelassen. Nicht ganz so gnädig war die Reaktion im Inland: «Dieser Plan B kann zum Schuss ins eigene Knie werden», warnte die FDP damals. Man hoffte in der Schweiz bis zum Schluss, das Brüssel die Gleichwertigkeit unbefristet anerkennt und sich nicht auf einen Wirtschaftskampf mit der Schweiz einlässt, mit der sie ja das Rahmenabkommen schliessen will, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (63) noch letzten Herbst als «Freundschaftsvertrag» bezeichnete.