Der Bundesrat sieht technische Fortschritte bei den institutionellen Verhandlungen mit der EU. Die roten Linien im Bereich der Personenfreizügigkeit hat er einmal mehr bestätigt.
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Das Rahmenabkommen fällt aus dem Rahmen
EU-Deal noch schlechter als befürchtet

Das Rahmenabkommen mit der EU sei noch schlechter als bislang bekannt, sagen Insider. Nun will es offenbar nicht einmal mehr Wirtschaftsminister Schneider-Ammann unterzeichnen.
Publiziert: 28.11.2018 um 21:40 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2018 um 08:36 Uhr
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Aussenminister Ignazio Cassis (l.) und Energieministerin Doris Leuthard bekommen die notwendigen vier Bundesratsstimmen fürs Rahmenabkommen nicht zusammen.
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

«Cassis und Leuthard wollen mit dem Kopf durch die Wand», lautet das Urteil eines Aussenpolitikers zum Vorhaben, am Freitag das Rahmenabkommen durch den Bundesrat zu pauken. Doch daraus wird wohl nichts. Wie es von diversen Parteispitzen heisst, bekommen Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP) und Infrastrukturministerin Doris Leuthard (55, CVP) die notwendigen vier Bundesratsstimmen nicht zusammen.

Denn nun widersetzt sich auch Johann Schneider-Ammann (66, FDP) dem Druck der EU, die fordert, dass der Bundesrat jetzt ja oder nein zum Abkommen sagen muss. Gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS machte der Wirtschaftsminister klar, dass die Schweiz mehr Zeit braucht.

Seine Parteipräsidentin Petra Gössi (42) fordert das schon länger. Sie warnte im BLICK: «Bricht der Bundesrat den Entscheid Ende Woche übers Knie, droht ein Scherbenhaufen.»

Ja zum Abkommen heisst ja zur Unionsbürgerrichtlinie

«Das Rahmenabkommen ist nicht so schlecht, wie es in der «SonntagsZeitung» dargestellt wurde», sagt ein Insider. «Es ist sogar noch viel schlechter», versichert die Person, die den Inhalt des Vertrags kennt.

So sei die Unionsbürgerrichtlinie, die EU-Bürgern sofortigen Zugang zur Schweizer Sozialhilfe geben würde, zwar nicht Teil des Abkommens. Doch ein Rechtsgutachten zeige, dass die Schweiz die Richtlinie zwingend übernehmen müsse, wenn sie zum Rahmenvertrag ja sage.

Und auch mit den Staatsbeihilfen für Kantonalbanken, Wasserkraftwerke und vielem mehr gäbe es Probleme, was bei den gestrigen Gesprächen zwischen Bundespräsident Alain Berset (46), Cassis und Schneider-Ammann sowie den Sozialpartnern laut BLICK-Informationen bestätigt wurde.

Zusammen mit den umstrittenen Punkten beim Lohnschutz ist es aussichtslos, im Parlament eine Mehrheit für das Abkommen zu finden. «Ich zähle keine 50 Ja-Stimmen für den Rahmenvertrag in seiner heutigen Form», sagt der Insider. Und ein Parteichef ergänzt: «Im EU-Dossier hat es unsere Regierung in all den Jahren nicht geschafft, eine gute Lösung hinzubekommen. Das muss sich der Bundesrat eingestehen.»

Ostmilliarde plus Sozialpartner und Kantone

Deshalb wird nach einem Ausweg gesucht. Die Idee: Heute soll der Ständerat wie traktandiert die Ostmilliarde sprechen. Damit würde die Schweiz ihren guten Willen zeigen. Am Freitag müsse der Bundesrat klarstellen, dass ein so zentraler Vertrag wie das Rahmenabkommen nur im Konsens mit Sozialpartnern und Kantonen geschlossen werden kann. Um diese ins Boot zu holen, brauche man noch Zeit.

Darauf würde Brüssel mit Sticheleien reagieren – ärgerlich, aber auszuhalten. Gerechnet wird damit, dass der Schweiz die unbefristete Börsenäquivalenz verwehrt wird – also die Anerkennung, dass die Schweizer Börsenregeln den EU-Regeln ebenbürtig sind.

Ob und wie man mit der Extraschlaufe tatsächlich zu einem besseren Rahmenabkommen kommt, ist offen. Klar ist aber: Ohne diese kann der Bundesrat das EU-Dossier am Freitag zuklappen, im Giftschrank verschliessen und zusehen, wie der bilaterale Weg verschimmelt.

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