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Bundeskanzlei soll Referenden mehr Zeit verschaffen
Erste Hilfe für «Demokratie im Lockdown»

Corona plagt die Unterschriftensammler: In Zeiten von Hygiene- und Abstandsmassnahmen geben viele Komitees Forfait. Für Referenden fordert SVP-Nationalrat Franz Grüter nun Sofortmassnahmen.
Publiziert: 05.09.2020 um 15:06 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2020 um 15:55 Uhr
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Ein Bild aus besseren Tagen: Heute ist Unterschriftensammeln schwieriger geworden.
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Gianna Blum

Der Patient ist nicht tot, aber die Aussichten sind düster: In der Schweiz gibt es ein regelrechtes Initiativensterben. Von 15 Initiativen, für die zur Zeit gesammelt wird, werden elf wohl nie die Grenze von 100'000 Unterschriften erreichen. Nicht unbedingt, weil die Anliegen kein Gewicht haben, sondern weil Corona das Sammeln schwer macht. Viele Menschen haben aktuell wegen der Pandemie andere Sorgen. Und jemanden auf der Strasse dazu zu bringen, seine Signatur zu geben, ist in Zeiten von Hygiene- und Abstandsregeln schwieriger geworden.

«Das Virus trifft unsere Demokratie im Herzen», sagt auch SVP-Nationalrat Franz Grüter (57). Das Initiativkomitee für ein E-Voting-Moratorium, dem Grüter angehört, hat bereits Ende Juni die Segel gestrichen. «Es war nicht realistisch, die Sammlung unter diesen Umständen weiterzuführen», so Grüter.

Die Bundeskanzlei soll ran

Quasi als erste Hilfe stellt Grüter nun einen Antrag für Änderungen im Covid-Gesetz. Mit diesem Gesetz werden die Corona-Verordnungen des Bundesrates in ordentliches Recht überführt. Grüter will aber keinen Fristenstillstand, wie ihn der Bundesrat während des Lockdowns gewährt hat.

Stattdessen schlägt er vor, dass die Bundeskanzlei vorübergehend das Beglaubigen der Unterschriften übernimmt – allerdings nur bei Referenden, wo die Lage noch prekärer sei als bei den Initiativen. «Mit dem Beglaubigen verlieren die Komitees viel Zeit», so Grüter. Denn bevor ein Anliegen bei der Bundeskanzlei eingereicht wird, müssen die Gemeinden die Unterschriften bescheinigen.

Wegen der kürzeren Sammelfrist von 100 Tagen sei es bei Referenden in Zeiten von Corona «fast unmöglich», die erforderlichen 50'000 Unterschriften nicht nur zu sammeln, sondern auch bescheinigen zu lassen. Grüter befürchtet, dass es viele Komitees deswegen erst gar nicht mehr versuchen.

«Demokratie im Lockdown»

Grüters Anliegen ist auch Gegenstand eines offenen Briefs einer Gruppe um Daniel Graf, Netzaktivist und Mitgründer der Online-Plattform WeCollect. «Die direkte Demokratie ist immer noch quasi im Lockdown» sagt auch Graf zu BLICK. Für den an Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP, 60) gerichteten Brief werden zur Zeit online Unterschriften gesammelt. Die Forderungen darin gehen noch weiter: So soll der Bund befristet auch digitale Unterschriften als rechtmässig anerkennen. Und Pilotprojekte für dieses so genannte «E-Collecting» lancieren.

Zumindest den Referendumskomitees etwas Luft zu verschaffen, nennt Graf eine «unglaublich wichtige Sofortmassnahme.» Wie begeistert die Bundeskanzlei von der Zusatzarbeit sein wird, ist offen. Sie müsste nun die Gemeindekanzleien abklappern und die Stimmen bescheinigen.

Graf betont aber, dass der Antrag unkompliziert umsetzbar wäre. Während Digitalisierungsfragen den Bund seit Jahren beschäftigen, bräuchte es für den Systemwechsel beim Beglaubigen wenig. An der 100-Tage-Frist ändert sich nichts, wodurch keine Verfassungsänderung nötig ist. «Es wäre eine herbe Enttäuschung, wenn die Bundeskanzlei nicht darauf eingehen würde», so Graf.

Nächste Woche bereits Thema

Franz Grüter weist zudem darauf hin, dass es Praxis, erst die Unterschriften einzureichen und danach erst bescheinigen zu lassen auf kantonaler Ebene – etwa in Zürich, Genf oder Basel – bereits gibt.

Die Wünsche im offenen Brief teilt auch er, der in der Vergangenheit er bereits entsprechende Vorstösse für die Digitalisierung eingereicht hat. Jetzt aber drängt für Grüter die Zeit: Das Covid-Gesetz wird bereits nächste Woche im Parlament verhandelt.


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