Den Steilpass des Bundesgerichts hat die SP dankbar aufgenommen: Sie fordert die Kantone sogleich auf, umgehend ihre Regeln zur Prämienverbilligung zu überprüfen. Bis zu 300'000 Familien sollen laut den Genossen insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr zu wenig erhalten haben.
Leiten die Kantone nicht innert einem Monat erste Schritte zur Ausweitung der Verbilligungen ein, wie es das oberste Schweizer Gericht für den Kanton Luzern festgelegt hat, rückt ihnen die SP auf den Pelz.
Im Fokus der Genossen sind neben Luzern auch der Aargau, die beiden Appenzell, Bern, Glarus, Neuenburg und das Wallis. Aber bei den anderen Kantonen gebe es ebenfalls Handlungsbedarf, führten die Sozialdemokraten vor den Medien aus. Die einzige Ausnahme: Graubünden. Hier hatte das Volk 2002 einem Gegenvorschlag zu den Prämienverbilligungen zugestimmt, an den sich der Kanton halten muss.
Nach dem Ultimatum kommt die Initiative
Das Ultimatum war der erste Streich, und der zweite folgt sogleich. BLICK weiss: Schon am 26. Februar lanciert die SP die «Prämienentlastungs-Initiative». Diese legt fest, dass die Krankenkassenprämie nicht höher sein darf als zehn Prozent des Haushaltseinkommens.
Die SP-Initiative sei derzeit bei der Bundeskanzlei in der Vorprüfung, sagt SP-Vizepräsidentin Barbara Gysi (54). Sie will sich nicht auf einen genauen Termin festlegen lassen, bestätigt aber: «Wir starten in den nächsten Wochen mit der Unterschriftensammlung.»
Und SP-Fraktionschef Roger Nordmann (45, VD) betont, das Gute an ihrer Initiative sei ja, dass sie die Aufteilung der Verbilligung regle. «Der Bund zahlt zwei Drittel der Vergünstigung. Der Kanton ein Drittel. Keine Seite kann sich mehr aus der Verantwortung stehlen.»
Zudem zeige sich jetzt, so Nordmann, wie konkret die SP-Initiative sei. «Jene der CVP, die die Kostensteigerung im Gesundheitswesen bremsen will, ist leider nur eine Absichtserklärung. Und im Gegensatz zu unserer Initiative ist bei jener der Christdemokraten leider noch immer kein Konzept für die Umsetzung ersichtlich», sagt der Waadtländer Nationalrat.
Niederlage für die Bürgerliche vor den Wahlen
Tatsächlich ist die Niederlage der bürgerlichen Kantonsregierung Luzerns doppelt gravierend: Erstens verdeutlicht sie, dass es dem Kanton mit seiner Tiefsteuerpolitik nicht gelungen ist, mit Steuererleichterungen für hohe Einkommen und Firmen genügend neue Steuerzahler anzulocken. Und nun haben es Steuererhöhungen oder Einsparungen schwer an der Urne. Also setzte man die Sparschraube bei den Prämienverbilligungen an.
Doch jetzt musste der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (60, CVP) einräumen, dass man die individuelle Prämienverbilligung nicht so einfach als «Manövriermasse in Sparbemühungen» einbeziehen kann.
Zweitens ist Grafs Eingeständnis auch für seine Partei vor den kantonalen Wahlen am 31. März wenig hilfreich. Der CVP verleiht die Niederlage auch für die eidgenössischen Wahlen im Herbst keinen Rückenwind. Die SP hingegen kann sich über Aufwind freuen.
Nicht nur in Luzern und auf Bundesebene, sondern auch in den anderen Kantonen versucht die SP, Kapital aus dem Bundesgerichtsentscheid zu schlagen. Und nach den Luzernern hat mit der Berner SP-Regierungsrätin Evi Allemann (40) eine Vertreterin eines weiteren Kantons öffentlich angekündigt, man wolle die geltenden Bestimmungen überprüfen.
Hunderttausende Familien profitieren
Appenzell Ausserrhoden und Glarus teilen mit, man müsse das Bundesgerichtsurteil erst analysieren. Das Urteil besagt, dass Luzern die Einkommensgrenze, die zum Bezug von Prämienverbilligungen berechtigt, anheben muss. Die Grenze von 54'000 Franken sei willkürlich. Das entspreche nicht den Vorgaben das Krankenversicherungsgesetzes, welches festlegt, dass die Kantone die Prämien für Familien mit «unteren und mittleren Einkommen» verbilligen muss.
In Luzern hatte die Senkung der Grenze fatale Folgen für Familien, wie der Luzerner SP-Kantonalpräsident David Roth (33) erzählt. Viele mussten nämlich bereits erhaltene Vergünstigungen zurückzahlen. Eine Frau habe ihm berichtet, dass sie ihr Instrument verkaufen musste, um Geld aufzutreiben. Ein Jugendlicher erzählte Roth, das fehlende Geld habe man regelrecht vom Essen absparen müssen. Und ein Familienvater berichtete ihm, man habe sich die ohnehin schon bescheidenen Ferien nicht leisten können.
Luzern habe die Menschen gedemütigt, sagt Roth und schätzt, dass die Kantone künftig einen dreistelligen Millionenbetrag mehr an Verbilligungen zahlen müssen.
Und Gysi freut sich, neu würden 200'000 bis 300'000 Familien Prämienverbilligungen erhalten.
Für die SP ist der Bundesgerichtsentscheid zu den Luzerner Prämienverbilligungen ein doppeltes Geschenk: Sie profitiert national für ihre Prämien-Entlastungs-Initiative und kantonal bei den Regierungsratswahlen am 31. März. Dann kommt es zum Duell zwischen SP-Kantonsrat Jörg Meyer (50) und dem parteilosen Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (54).
Der Zweikampf dreht sich zwar auch um den harten Steuer- und Sparkurs des Finanzdirektors. Meyer kämpft aber vor allem gegen Schwerzmann, weil er nur gegen ihn eine Chance hat. Gegen die bisherigen CVP- und SVP-Regierungsräte hätte Meyer keinen Stich; selbst FDP-Kandidat Fabian Peter (42), der neu antritt, muss ihn nicht fürchten: Er wird den einzigen Sitz der Liberalen verteidigen.
«Die Gelder wurden zweckentfremdet»
Das erklärt auch, warum SP-Parteichef David Roth (33) sich nicht gegen Schwerzmann einschiesst, sondern von einem Luzerner Skandal spricht und gegen die gesamte Regierung wettert: «Die Prämiengelder, die vom Bund kamen, hat der Regierungsrat mit Zustimmung von CVP, FDP und SVP zweckentfremdet», sagte er in Bern vor den Medien. Und präzisierte auf Nachfrage von BLICK: «Schwerzmann ist zwar der willige Erfüllungsgehilfe: Aber die missratene Steuer- und Abbaupolitik verantwortet das ganze Gremium.» Um die blinden Flecken der Regierung zu beheben, brauche es die SP wieder in der Regierung. Das entspräche auch der Konkordanz.
Den Prämienentscheid nutzt die SP also vor allem, um an die Luzerner Tradition zu appellieren, nach der die Linke in die Regierung gehört. Politische Traditionen wiederum haben auf der Luzerner Landschaft Gewicht. Dort, wo im Kanton rein durch die Bevölkerungsverteilung Wahlen mit einfachen Mehrheiten entschieden werden. Also auch das Regierungsratsduell Schwerzmann gegen Meyer, die beide in Stadtluzerner Vorortsgemeinden wohnen. (Andrea Willimann)
Für die SP ist der Bundesgerichtsentscheid zu den Luzerner Prämienverbilligungen ein doppeltes Geschenk: Sie profitiert national für ihre Prämien-Entlastungs-Initiative und kantonal bei den Regierungsratswahlen am 31. März. Dann kommt es zum Duell zwischen SP-Kantonsrat Jörg Meyer (50) und dem parteilosen Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (54).
Der Zweikampf dreht sich zwar auch um den harten Steuer- und Sparkurs des Finanzdirektors. Meyer kämpft aber vor allem gegen Schwerzmann, weil er nur gegen ihn eine Chance hat. Gegen die bisherigen CVP- und SVP-Regierungsräte hätte Meyer keinen Stich; selbst FDP-Kandidat Fabian Peter (42), der neu antritt, muss ihn nicht fürchten: Er wird den einzigen Sitz der Liberalen verteidigen.
«Die Gelder wurden zweckentfremdet»
Das erklärt auch, warum SP-Parteichef David Roth (33) sich nicht gegen Schwerzmann einschiesst, sondern von einem Luzerner Skandal spricht und gegen die gesamte Regierung wettert: «Die Prämiengelder, die vom Bund kamen, hat der Regierungsrat mit Zustimmung von CVP, FDP und SVP zweckentfremdet», sagte er in Bern vor den Medien. Und präzisierte auf Nachfrage von BLICK: «Schwerzmann ist zwar der willige Erfüllungsgehilfe: Aber die missratene Steuer- und Abbaupolitik verantwortet das ganze Gremium.» Um die blinden Flecken der Regierung zu beheben, brauche es die SP wieder in der Regierung. Das entspräche auch der Konkordanz.
Den Prämienentscheid nutzt die SP also vor allem, um an die Luzerner Tradition zu appellieren, nach der die Linke in die Regierung gehört. Politische Traditionen wiederum haben auf der Luzerner Landschaft Gewicht. Dort, wo im Kanton rein durch die Bevölkerungsverteilung Wahlen mit einfachen Mehrheiten entschieden werden. Also auch das Regierungsratsduell Schwerzmann gegen Meyer, die beide in Stadtluzerner Vorortsgemeinden wohnen. (Andrea Willimann)