Weniger Alimente für Ex-Frauen
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Wegweisende Scheidungsurteile:Weniger Alimente für Ex-Frauen

Bundesgericht fällt wegweisende Scheidungsurteile
Weniger Alimente für Ex-Frauen

Die Ehe soll nicht mehr als Versorgungsgemeinschaft gelten, hat das Bundesgericht mit einer Serie von Urteil beschlossen. Frauen müssen griffige Gründe vorlegen, wieso sie nach einer Scheidung nicht mehr selbst die Brötchen verdienen können. Kommt der Entscheid zu früh?
Publiziert: 13.03.2021 um 11:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2021 um 17:46 Uhr
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Das Bundesgericht läutet mit einer Serie von Beschlüssen eine neue Ära für die Ehe ein.
Foto: AFP via Getty Images

«Ach, die finanziert ihr Leben doch nur über die Alimente ihres Ex» – solche Kommentare über geschiedene Frauen fallen nicht selten. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Eine Reihe von Bundesgerichtsurteilen stellt klar, dass eine Ehe keine «Lebensversicherung» für Frauen mehr sein soll.

Bis anhin galt: Ist eine Frau 45 Jahre oder älter, hatte Kinder mit einem Mann oder war mindestens zehn Jahre mit ihm verheiratet, bewahrten sie gewisse Schutzmechanismen nach einer Scheidung vor einer erneuten Arbeitssuche. Das Gericht mutete es ihr dann nämlich nicht mehr zu, Fuss auf dem Arbeitsmarkt zu fassen. Der Ex-Mann musste bis zu ihrer Pension für die entsprechenden Unterhaltszahlungen aufkommen.

«Eine kleine Revolution»

Das ist nicht mehr zeitgemäss, findet das Schweizer Bundesgericht nun. Deswegen werden diese Pauschalisierungen aufgehoben. Egal, ob Mann oder Frau: Nach der Scheidung soll jeder wieder für sich allein sorgen. Es sei denn, konkrete Gründe wie die Kleinkinderbetreuung oder langjähriges Rückenfreihalten durch einen der Partner liegen vor.

«Eine kleine Revolution», freut sich Markus Theunert vom Männerverein männer.ch. Er findet, das Bild der Ehe als Versorgungsgemeinschaft gehöre schon längst der Vergangenheit an. «Was Paare bei der Familiengründung heute wollen, ist eine Solidargemeinschaft, in der sich beide Eltern Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung teilen.»

10 Jahre zu früh

Die Urteile des Bundesgerichts seien «sehr schlau und angemessen», am Puls der Gesellschaft gefällt. Dass die Schutzmechanismen ausgehebelt würden, sei nun ein verbindliches Signal, dass konsequenter alle Aufgaben, beruflich und familiär, zwischen den Geschlechtern aufgeteilt würden. «Das tut uns allen gut», freut sich der oberste Männer-Lobbyist.

Und auch Frau freut sich über das Urteil – wenn auch mit Vorbehalten. «Die Urteile sind ein Schritt in die richtige Richtung», sagt Sophie Achermann, Geschäftsführerin des Frauenverbands Alliance F. «Doch er kommt 10 Jahre zu früh», lenkt sie ein. Erst müssten die Rahmenbedingungen für Frauen ausgearbeitet werden.

Der Ball liegt bei Politik

Drei Punkte seien dabei essenziell: Als erstes müssten Kitas ausgebaut, verfügbarer und zahlbarer werden. An vielen Orten sei das noch lange nicht der Fall. «Es kann nicht sein, dass gewisse Familien bei der Kinderbetreuung noch immer auf den Goodwill von Grosseltern hoffen müssen», krisitiert Achermann.

Als zweites sei es längst an der Zeit, dass eine Individualbesteuerung für verheiratete Paare eingeführt werde. Denn: «Zweiteinkommen – und das ist meistens das der Frau – werden überproportional hoch besteuert», erklärt die Alliance F-Geschäftsführerin. So bleibt der Familie oft mehr Geld, wenn die Frau zu Hause bleibt.

Zuletzt fordert der Frauenverein eine Elternzeit. «Beide Elternteile sollen nach der Geburt zu Hause bleiben können, um so die unbezahlte Care-Arbeit auf zwei Schultern zu verteilen.» Erst dann seien die Beschlüsse des Bundesgerichts in der Realität umsetzbar. «Für uns heisst das: Der Ball liegt jetzt bei der Politik», erklärt Achermann. Diese solle nun in Sachen Gleichberechtigung vorwärts machen. (dbn)

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