Eigentlich schien der Fall klar. Im Februar 2023 holte die GLP 24 Sitze im Zürcher Kantonsrat. Doch nur elf Tage nach der Wahl sollten es nur noch 23 sein. Isabel Garcia (60) war für die Grünliberalen gewählt worden. Nur wenige Tage nach der Wahl wechselte sie zur FDP. Sie und die GLP hätten sich in den letzten Jahren «auseinandergelebt», wie sie in einem Interview mit der NZZ begründete. Der Entscheid hatte Folgen: Die sogenannte Klimaallianz aus SP, GLP, Grünen, EVP und AL verlor ihre knappe Mehrheit.
Jetzt musste sich sogar das Bundesgericht über den Fall beugen. Das höchste Gericht gab der Beschwerde von mehreren Privatpersonen teilweise recht. Damit ist die Wahl Garcias nicht direkt aufgehoben, doch das Zürcher Verwaltungsgericht muss sich nun vertieft mit der Frage befassen und abklären, ob Garcias Entscheid für den Parteiwechsel von der GLP zur FDP bereits während der Wahl bestand.
Sollte dies der Fall sein, hätte sie laut der Mehrheit der Bundesrichter die Stimmbürger in die Irre geführt. Ein solches Vorgehen verhindere eine freie Bildung des Wählerwillens und in der Folge die möglichst präzise Widerspiegelung der Auffassungen und Meinungen der Stimmbürger im Parlament, was letztlich eine Verletzung der politischen Rechte sei.
Knappe Entscheidung
Dagegen stellten sich jeweils je ein Richter von SP und SVP. Man könne die Aktion «daneben» finden, doch die Sanktionen hätten die Wähler zu treffen, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Der SVP-Richter betonte, auch für Politikerinnen gelte die Meinungsäusserungsfreiheit.
Für die Entscheidung sorgten dann die Richter der Grünen, GLP und ausgerechnet der FDP – jener Partei also, die vom Parteiübertritt profitierte. Die Wähler müssten sich auf die Ehrlichkeit der Kandidaten verlassen können, seien aber hier in die Irre geführt worden. Er habe Sympathien für die Idee, dass Politiker, welche die Partei wechseln, das Mandat verlieren, befand auch der Richter der Grünen. Somit war der Fall entschieden.
Urteil von 2008 infrage gestellt
Grundsätzlich waren sich die Richter einig, dass das Zürcher Recht einen Parteiwechsel nicht verbietet. Mehr oder weniger deutlich sagten sie auch, dass sie das Vorgehen von Garcia der politischen Glaubwürdigkeit für nicht zuträglich halten.
Sie stellen damit ein Urteil aus dem Jahr 2008 infrage. Damals wurde der Fall von der damaligen Kantonsrätin Barbara Keller-Inhelder vor Bundesgericht verhandelt. Zwei Monate nach ihrer Wahl wechselte sie von der CVP zur SVP. Das Bundesgericht entschied, dass es dagegen rechtlich nichts einzuwenden gibt.
FDP Zürich «befremdet» über Entscheid
Am späteren Mittwochnachmittag meldete sich auch die Zürcher FDP, Garcias neue politische Heimat, zum Urteil. Dabei zeigt sie sich «befremdet» über die teilweise Gutheissung im Fall Garcia. Das Urteil schaffe einen «gefährlichen Präzedenzfall». Politikerinnen und Politiker könnten erheblich eingeschränkt werden, nach ihrem Gewissen handeln und entscheiden zu können – dabei sichere ihnen das Instruktionsverbot eine freie Ausübung ihres Amtes zu.
Sogar die GLP, Garcias frühere Partei, habe damals anerkannt, dass keine rechtliche Grundlage bestehe, um ihr die Wahl zu verweigern, hält die Zürcher FDP als Reaktion auf das Bundesgerichtsurteil weiter fest.