Die Schweiz soll Olympische Winterspiele austragen. Was noch vor wenigen Monaten bestenfalls geflüstert wurde, nimmt bereits sehr konkrete Formen an, wie SonntagsBlick in Erfahrung bringen konnte.
Die nationalen Wintersportverbände und der Schweizer Sport-Dachverband Swiss Olympic stehen kurz davor, mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) in einen «gezielten Dialog» darüber zu treten, dass die Spiele von 2030, 2034 oder 2038 in der Eidgenossenschaft stattfinden. Bedeutet: Schon im November könnte es ernst werden.
Dabei sagten noch im Sommer 2018 rund 54 Prozent der Walliser Nein zu einer Olympia-Kandidatur 2026. Und auch die Bündnerinnen wollten weder 2013 noch 2017 etwas von Winterspielen in ihrem Kanton wissen. Gescheiterte Versuche für Sion 2002 und 2006, als nicht einmal der sportbegeisterte Adolf Ogi (81) das olympische Feuer in die Schweiz bringen konnte, ergeben das gleiche Stimmungsbild.
Wie kommt man also auf die Idee, schon wieder Winterspiele in die Schweiz holen zu wollen?
Laut Plan sollen es die innovativsten und nachhaltigsten Spiele der Geschichte werden. Dezentral im ganzen Land organisiert, auf Basis bestehender Infrastruktur. Die ist vorhanden, weil die Schweiz bereits in jüngerer Vergangenheit eine Reihe von Weltmeisterschaften ausrichtete und in den nächsten Jahren weitere plant.
Nicht mal ein olympisches Dorf müsste entstehen, alle Sportler sollen in bestehenden Hotels unterkommen. Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Und doch: Wer sich in Sportkreisen umschaut, erkennt viel Optimismus.
Was viel damit zu tun hat, dass das Internationale Olympische Komitee für Winterspiele keinen Austragungsort mehr findet. Rissen sich Wintersportnationen früher um solche prestigereichen Wettkämpfe, finden die Herren der Ringe mittlerweile niemanden mehr in demokratisch regierten Ländern, der die Spiele durchführen will. Darum wollen sie nun mit den Schweizern und anderen interessierten Nationen zusammenarbeiten. Die Hoffnung ist, auf diese Weise Wege zu finden, wie Spiele organisiert werden können, die keine tiefen Löcher in die Staatskasse reissen.
Jetzt könnte es schnell gehen
Für Swiss-Olympic-Vizepräsidentin Ruth Wipfli Steinegger (66) und Sport-Bosse wie Skiverbands-Chef Urs Lehmann (54) geht es allerdings erst einmal darum, die Öffentlichkeit zu überzeugen.
Die grösste Hypothek dabei: IOC-Präsident Thomas Bach (69) ist und bleibt das Gesicht der Spiele. Der Deutsche, der es zuliess, dass der olympische Gigantismus immer groteskere Züge annahm, und der kein Problem darin sah, die Spiele an Regimes wie in China oder Russland zu vergeben. Bach steht in der Wahrnehmung einer sportpolitisch interessierten Öffentlichkeit für den moralischen Schlingerkurs des IOC in den letzten Jahren.
Gelingt es, auf diesem Gebiet einen Meinungswandel herbeizuführen, könnte es schnell gehen. Extrem schnell. Es gibt Beobachter, die sagen: Jetzt oder nie! Entweder schafft es die Schweiz, die Winterspiele 2030 zu bekommen. Oder es wird ihr nie gelingen. Die Überlegung dahinter: Mit Salt Lake City (USA) steht ein aussichtsreicher Bewerber bereit. Für 2030 indes kommt die Mormonen-Metropole nicht infrage, weil die Sommerspiele 2028 in Los Angeles (USA) stattfinden. 2034 wäre eine US-Destination dagegen für Winterspiele denkbar, manche Insider rechnen für 2034 fest mit einer Austragung in Salt Lake City.
Bei Schweizer Parlamentariern kommt der neue Ansatz gut an. Der Berner SP-Nationalrat und Sportpolitiker Matthias Aebischer (55) sagt: «Wenn wir die Spiele mit bestehender Infrastruktur und konsequent nachhaltig durchführen können, dann müssen wir das machen.»
Ebenfalls für Winterspiele in der Schweiz votiert der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser (62): «Die Schweiz soll der Welt zeigen, wie zeitgerechte, nachhaltige Spiele aussehen!»