Blick zu Besuch am Kommunisten-Kongress
Die Überwindung des Kapitalismus kostet 150 Franken

Sie kämpfen für die Revolution: In Burgdorf gründen Kommunisten dieses Wochenende eine neue Partei. Konkrete Pläne haben sie kaum. Dafür genaue Vorstellungen, wie tief man für den Umsturz in die Tasche greifen sollte.
Publiziert: 11.05.2024 um 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2024 um 12:00 Uhr
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Lukas Nyffeler (27) soll am Gründungskongress der Revolutionären Kommunistischen Partei in das Zentralkomitee gewählt werden.
Foto: Leon Cuanillon
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Hammer und Sichel prangen auf einem Banner gross über den Anwesenden, Lenin zeigt den Weg zum Kommunismus, in Richtung Bühne. Bitte setzen, es geht gleich los. Doch die Genossen tummeln sich noch am Verkaufsstand, an dem es kommunistische Flaggen für 20 Franken zu kaufen gibt.

Dieses Wochenende findet der Gründungskongress der Revolutionären Kommunistischen Partei (RPK) in der Markthalle in Burgdorf BE statt. Mit dabei ist Lukas Nyffeler (27). Kommunist von Beruf. Wie Arbeit fühle sich das allerdings nicht an, er mache seinen Job schliesslich aus tiefster Überzeugung. Trotzdem erhält er dafür einen monatlichen Lohn.

«Revolution findet noch zu unseren Lebzeiten statt»

Als einer von knapp einem Dutzend Genossen ist Nyffeler fest bei der marxistischen Bewegung «Der Funke» angestellt. Seine Mitstreiter sollen ihn am Sonntag ins Zentralkomitee der RPK wählen. Eine demokratische Wahl, hält Nyffeler fest. Auch wenn das Ergebnis jetzt schon feststeht.

Das Ziel der neuen Partei: Sturz des Kapitalismus. Denn die heutige Demokratie ende «spätestens an der Fabriktür». Nyffeler ist überzeugt: «Die Revolution findet nicht heute oder morgen statt, aber noch zu unseren Lebzeiten – wenn wir dafür kämpfen.»

Sie lauschen und schwingen die roten Fahnen

Wie das gehen soll, bleibt auch nach einem dreistündigen Vortrag unscharf. Immerhin das erste Etappenziel steht fest: Die Bewegung will an Strahlkraft gewinnen, 1000 Kommunisten ausbilden. Momentan zähle die Partei etwas über 300 Mitglieder. Die meisten sind jung, auch ein paar ältere Zuschauer nehmen auf den Stühlen Platz. Sie lauschen aufmerksam den langen Vorträgen. Einige tippen mit, zwischendurch johlen sie, schwingen die roten Fahnen. Fragen scheint es keine zu geben.

Um Spenden und Mitglieder weibeln die Genossen auf den Strassen, aber auch an Universitäten und Gymnasien. Ob sich dort die angepeilte Arbeiterschicht tummelt, die, ausgegrenzt von der Demokratie, hinter den Fabriktüren schuftet? «Jeder Lohnabhängige, egal wie hoch sein Lohn, kann den Standpunkt der Arbeiterklasse einnehmen und für diese kämpfen», sagt Nyffeler.

Gewalt nicht auszuschliessen

Damit die Arbeiterklasse auch von der grossen Rekrutierung profitiert, will Nyffeler nicht «im Parlament die Sparmassnahmen mit verwalten», sondern «Streik- und Kampfbewegungen anführen». Dass dies in Gewalt münden werde, kann der überzeugte Kommunist nicht ausschliessen.

Die Gewalt werde aber von der herrschenden Klasse ausgehen, sagt er: «Die Polizei wird die Streikenden angreifen, die Eliten werden an ihrem Besitz festhalten.» Waffenlager werde man in den Vereinsbüros der Kommunisten jedenfalls keine vorfinden.

Sie kassieren für den Kommunismus

Während die Pläne der Kommunisten vage bleiben, sind ihre materiellen Forderungen konkret. 150 Franken kostet der reguläre Eintritt zum Kongress. Man solle aber gern mehr zahlen, denn die Einnahmen von rund 60'000 Franken deckten die Kosten nur knapp. Fürs Zmittag am Freitag mussten die Genossen trotzdem in den Coop.

Auch Mitgliederbeiträge fliessen aufs Kommunisten-Konto. Tradition sei ein Beitrag von zwei Tageslöhnen. Der Bieler Stadtrat Pir Ché Celik (23) von der Partei der Arbeit (PdA) sprach kürzlich gegenüber dem «Bieler Tagblatt» von «emotionaler Erpressung». Nyffeler wehrt sich dezidiert gegen die Kritik. Die Beiträge seien immer freiwillig. Sagt aber auch: «Ich würde mich nicht Kommunist nennen, wenn ich nicht selbst etwas dafür gäbe.»

Das Geld brauche man zum Beispiel für den Druck der eigenen Zeitung, für Events und eben auch die Löhne der Berufskommunisten. Wie viel er verdient? Das behält Nyffeler lieber für sich.

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