Blick hinter die Zahlen
Darum impfen sich Kosovaren am wenigsten

Unter den Migranten aus dem Balkan ist der Anteil der Impfunwilligen fast doppelt so hoch wie unter Schweizern. Mit der Nationalität hat das allerdings wenig zu tun.
Publiziert: 02.11.2021 um 17:01 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2021 um 07:54 Uhr
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SP-Politiker Arber Bullakaj aus St. Gallen kritisiert, dass die Impfkampagnen von Bund und Kantonen Migranten zu wenig erreichten.
Foto: Thomas Meier
Lea Hartmann

Die Corona-Impfung? Jo, faleminderit – nein, danke! 37 Prozent der Kosovarinnen und Kosovaren und der Migranten aus anderen Balkan-Staaten möchten sich nicht impfen lassen. Das hat eine repräsentative Umfrage der Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der SRG ergeben.

Damit ist die Quote der Impfmuffel unter den Migranten aus Südosteuropa fast doppelt so hoch wie jene der Menschen mit Schweizer Pass. Auch Portugiesinnen und Portugiesen, die drittgrösste Ausländergruppe in der Schweiz, sind deutlich impfkritischer als Schweizer.

Es ist das erste Mal, dass Zahlen zur Impfbereitschaft, aufgeschlüsselt nach Migrationshintergrund, vorliegen. Bund und Kantone führen keine vergleichbaren Statistiken. Doch was sagen die Zahlen aus?

«Hat nichts mit der Nationalität zu tun»

Arber Bullakaj (35) ist Geschäftsleitungs-Mitglied der SP, IT-Unternehmer und im Kosovo geboren. Er ist überzeugt: «Die Impfbereitschaft hat so ziemlich gar nichts mit der Nationalität zu tun.»

Er verweist darauf, dass zum Beispiel die Altersstruktur der Migrantinnen und Migranten ganz anders ist als jene der Gesamtbevölkerung. Sie sind jünger – und unter Jungen ist die Impfquote generell viel tiefer als unter älteren Menschen. Ausserdem sind Personen mit Migrationshintergrund häufiger in handwerklichen Berufen tätig und der Anteil Akademiker ist geringer. «Sie hatten deshalb einen schlechteren Zugang zur Kampagne und waren beim Impftermin weniger flexibel», sagt Bullakaj. Die Sotomo-Umfrage bestätigt, dass Bildung und Einkommen bei der Einstellung zum Impfen entscheidende Faktoren sind.

Weniger mit dem Gesundheitssystem vertraut

Auch Politikwissenschaftler Nenad Stojanović (45) von der Uni Genf weist auf diese soziodemografischen Zusammenhänge hin. Er stellt zudem infrage, wie repräsentativ die Umfrage in diesem Punkt wirklich ist. So wurden die Umfrageresultate zwar gewichtet, um Verzerrungen zu verhindern. Dafür wurden verschiedene Faktoren berücksichtigt – nicht aber die Nationalität.

Der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen (60) sieht eine mögliche Erklärung zudem darin, dass Migrantinnen und Migranten mit dem Schweizer Gesundheitssystem nicht gleich vertraut sind. «So mussten wir beispielsweise eingehender erklären, dass diese Impfung tatsächlich kostenlos ist», sagt er. Vor diesem Hintergrund müsse denn auch eine hohe Impfquote im Heimatland, zum Beispiel in Portugal, nicht dazu führen, dass die jeweilige Migrationsbevölkerung in der Schweiz auch eine hohe Impfquote aufweist.

Kritik an Impfkampagnen

Der St. Galler SP-Politiker Bullakaj hält Bund und Kantonen zwar zugute, dass sie ihre Bemühungen, Migranten zu erreichen, in den vergangenen Monaten verstärkt hätten. So produzierte der Kanton Bern Videos, in denen Migranten bei ihren Landsleuten für die Impfung werben; in Basel-Stadt wurden unter anderem sogenannte «Key-Persons» engagiert, die mit Ausländern in Kontakt kommen sollen und Briefe an fremdsprachige Bürgerinnen und Bürger verschickt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat Informationsmaterial in verschiedene Sprachen übersetzt und setzt darauf, die Migranten über Diaspora-Medien zu erreichen.

Doch das reicht nicht, findet Bullakaj. «Die Impfkampagnen der Behörden sind erstens zu wenig auf die arbeitende Bevölkerung ausgerichtet, zweitens zu wenig auf Junge und drittens zu wenig auf Migrantinnen und Migranten, die in den beiden ersten Gruppen überproportional vertreten sind», kritisiert er. Aus seiner Sicht müsste man unter anderem mehr bei Arbeitgebern ansetzen und beispielsweise bei grösseren Arbeitgebern gleich am Arbeitsplatz die Impfung anbieten.

Eine Gelegenheit, mit neuen Mitteln Migranten für die Impfung zu gewinnen, böte sich kommende Woche. Dann findet die nationale Impfwoche statt. Welche konkreten Massnahmen dann geplant sind, wollen die meisten Kantone auf Nachfrage noch nicht mitteilen. Erst in den nächsten Tagen soll informiert werden.

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