Bewusste Täuschung bei Unterschriftensammlung
Miese Tricks bei Papiferien-Referendum?

Beim Referendum gegen die Papiferien sollen mehrere Stimmbürger getäuscht worden sein: Im Glauben, für einen längeren Vaterschaftsurlaub zu unterschreiben, unterzeichneten sie in Wahrheit das Referendum dagegen.
Publiziert: 23.12.2019 um 13:42 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2019 um 15:26 Uhr
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Zu BLICK sagen mehrere Personen, sie hätten das Referendum unterzeichnet, da sie meinten für Papiferien zu unterschreiben.
Foto: Keystone
Tobias Bruggmann

Die Zeit läuft gegen die Gegner der Papiferien. Bis Mitte Januar braucht das Referendumskomitee um die SVP-Politikerinnen Diana Gutjahr (35) und Susanne Brunner (47) noch ganze 18'000 Unterschriften. Ausgerechnet jetzt tauchen happige Vorwürfe auf: Gegenüber BLICK bestätigen mehrere Personen aus der Romandie, dass sie das Referendum unterzeichnet hätten, im Glauben, für einen längeren Vaterschaftsurlaub zu unterschreiben. Weil ihnen die Sammler das so gesagt hätten.

Eine von ihnen ist Viviane C.* (74). «Ich war mit einer Freundin an einem Samstag auf dem Markt in La-Chaux-de-Fonds: Ein junger Mann hat uns angesprochen, ob wir für einen Vaterschaftsurlaub unterschreiben möchten.» Sie selbst unterschrieb nicht, beobachtete aber danach zwei Pärchen, die das taten. «Danach habe ich sie gefragt, ob sie für oder gegen den Vaterschaftsurlaub sind. Beide sagten, sie seien dafür. Ich habe sie dann aufgeklärt, dass sie mit der Unterschrift das Referendum dagegen unterstützt hätten.»

Unterschriftenbögen zerschnitten

C. ist kein Einzelfall. BLICK konnte mit mehreren Betroffenen sprechen, alle erzählen ähnliche Geschichten: Junge Männer, zwischen 20 und 30, sammeln auf der Strasse Unterschriften gegen die Papiferien, indem sie fälschlicherweise für einen Vaterschaftsurlaub werben.

Besonders dreist: Zwei Zeuginnen sagen, die Unterschriftsbögen seien in der Hälfte zerschnitten worden. Der obere Teil, auf dem klar stünde, dass gegen den Vaterschaftsurlaub gesammelt wird, fehle.

«Höre zum ersten Mal davon»

Co-Komitee-Präsidentin Gutjahr zeigt sich überrascht. «Ich höre zum ersten Mal davon.» Auf den Unterschriftsbögen sei aber klar ersichtlich, worum es geht. «Jeder weiss, wofür er unterschreibt. Was die Leute sagen, welche die Unterschriften sammeln, liegt nicht in meiner Macht.»

Sie schiebt die Verantwortung an die Betrogenen ab. Es liege es in der Verantwortung jedes einzelnen, zu entscheiden, wann er etwas unterschreibt. «Wenn nicht klar ist wofür, sollte man nicht unterschreiben», sagt Gutjahr. Und verweist auf die Homepage, wo die Argumente ersichtlich seien.

Zweiter Fall in diesem Jahr

Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Im April diesen Jahres berichtete BLICK über ähnliche Vorwürfe gegen die EDU. Die Partei hat in der Westschweiz nach dem gleichen Muster für ihr Referendum gegen die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm sammeln lassen. Die EDU liess allerdings die externe Firma Incop AG für sie sammeln. Und diese sprach von einem Einzelfall.

Ob nun wieder die gleiche Firma mit der gleichen dubiosen Methode auf Stimmenfang geht, ist unklar. BLICK liegt jedoch eine Tonbandaufnahme vor, auf welcher der Sammler bestätigt, für Incop zu arbeiten.

Gutjahr hingegen will weder bestätigen noch dementieren, dass das Referendumskomitee eine Firma angestellt hat, die gegen Bezahlung Unterschriften sammelt. Sie sagt lediglich: «Wir sind ein überparteiliches Komitee aus Einzelpersonen und Verbänden. Unsere finanziellen Mittel sind beschränkt.»

Wenig Unterstützung aus der SVP

BLICK hat auch versucht, Incop zu kontaktieren. Ein sehr kurzes Gespräch. Nach der Vorstellung und der Frage, ob sie gegen den Vaterschaftsurlaub Unterschriften sammeln, hiess es nur: «Non, Non, Non» – und die Person legte auf.

Dass das SVP-nahe Referendumskomitee in der Westschweiz professionelle Hilfe annimmt, würde nicht erstaunen. Denn die Kantonalsektionen der SVP Waadt, Genf, Neuenburg, Wallis und Freiburg verweigerten dem Referendumskomitee die Unterstützung. «Es gibt aber Einzelpersonen, die uns unterstützen», so Gutjahr.

SP will bis vor Bundesgericht ziehen

Aufgeschreckt haben die Zeugenberichte auch die SP Neuenburg. Auf einen Aufruf hin hatten sich 23 Personen gemeldet, deren Unterschrift auf diese Weise ertrogen worden ist. Jetzt will die Partei Konsequenzen ziehen und rechtliche Schritte ergreifen – bis vor das Bundesgericht, schreiben sie in einer Mitteilung.

Auf nationaler Ebene wird sich schon bald das Parlament mit dem Fall befassen. SP-Nationalrat Baptiste Hurni (33) reicht einen Vorstoss ein. Bis jetzt steht im Strafgesetzbuch nämlich nichts über das betrügerische Einfangen von Stimmen. Hurni will das ändern. «Solche Methoden gefährden die direkte Demokratie», findet er.

* Name der Redaktion bekannt

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