Wut und Enttäuschung über das Nein zum CO2-Gesetz bei den links-grünen Parteien sind riesig. Von einem «schwarzen Sonntag» ist die Rede, die Jungen Grünen veranstalteten in Zürich noch am selben Abend eine «Mahnwache fürs Klima».
Klimastreik hatte andere Prioritäten
Doch nicht alle im linken Lager bedauern den Entscheid. Die Klimastreik-Bewegung hat nie mit Herzblut für das Gesetz gekämpft. Ganz im Gegenteil. Die Westschweizer Sektionen hatten sogar das Referendum dagegen ergriffen. Auch in der Deutschschweiz konnten die Befürworter nicht auf Unterstützung der jungen Klimastreikenden zählen.
Statt sich fürs CO2-Gesetz zu engagieren – aus Sicht der Grünen die wichtigste Vorlage der Legislatur – konzentrierten sich die Aktivistinnen und Aktivisten insbesondere in den letzten, entscheidenden Wochen ganz auf den Kampf gegen das Anti-Terror-Gesetz. Dies, obwohl sich abzeichnete, dass es beim CO2-Gesetz knapp wird – beim Anti-Terror-Gesetz dagegen keine realistische Chance bestand, ein Ja zu verhindern.
Besonders Junge stimmten Nein
Der fehlende Support der Klimabewegung könnte das Zünglein an der Waage gewesen sein. Die Nachwahlbefragung von Tamedia zeigt: Unter den Jungen war die Ablehnung am höchsten. Satte 58 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sagten Nein zur Vorlage – mehr als in jeder anderen Alterskategorie.
Je älter die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, desto eher stimmten sie Ja. Dabei ist es die junge Generation, welche den Klimawandel besonders betrifft.
«Mehr Realpolitik hätte Klima viel genützt!»
Befürworter des Gesetzes sind deswegen sauer. Den «Scherbenhaufen» habe man auch der Klimajugend zu verdanken, die nicht geschlossen für ein Ja eingetreten sei, wettert der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (49, Mitte) auf Twitter. Die Abstimmungstaktik der Klimastreik-Bewegung bezeichnet er als «dumm». «Ein wenig mehr Realpolitik hätte dem Klima viel genützt! Die nächste Demo nützt leider nichts mehr!»
«Mehr Engagement vom Klimastreik hätte sicherlich geholfen», sagt auch Julia Küng (20), Präsidentin der Jungen Grünen. Doch man hätte sich auch nicht einfach allein darauf verlassen können. Ausserdem glaubt sie, dass vor allem die Erdöllobby an der Niederlage Schuld ist.
Auch Mitte-Nationalrätin Marianne Binder (62) ärgert sich auf Twitter über die «radikale sozialistische Klimastreik-Basis», die «lieber ‹nichts› will, wenn sie ‹alles› nicht bekommt». Sämtliche grossen Parteien ausser der SVP hatten sich für ein Ja zum Gesetz starkgemacht.
Aktivisten bereuen nichts
Die Kritik prallt an den Klimastreikenden ab. Nach dem Ausgang der Abstimmungen gestern habe es intern zwar Diskussionen gegeben, sagt Lorenz Obrist (22) von der Klimastreik-Bewegung. Denn sie selbst halten es für möglich, dass die Abstimmung anders ausgegangen wäre, wenn der Klimastreik aktiv für ein Ja geweibelt hätte. Doch Obrist stellt klar: «Wir glauben nicht, einen Fehler gemacht zu haben.»
Denn aus Sicht der Klimajugend ist das CO2-Gesetz, das auf dem Tisch lag, völlig ungenügend. «Das ist nicht die Art von Klimaschutz, für die wir uns einspannen lassen», sagt er. Die Bewegung stellt sich auf den Standpunkt, selbst einen Aktionsplan mit sozialeren und konsequenteren Massnahmen vorgelegt zu haben. Dieser sieht zum Beispiel eine Verkürzung der Arbeitszeiten oder die «Abschaffung von klimaschädlichem Privateigentum» vor. Dass solche Massnahmen im Parlament und der Stimmbevölkerung erst recht chancenlos sind, kümmert die Klimastreikenden nicht.
Grosser Fehler?
Zudem kritisierten die Klimastreikenden an einer Medienkonferenz am Sonntagnachmittag, dass das CO2-Gesetz sowieso nicht gereicht hätte, das Klimaziel zu erreichen, zu dem sich die Schweiz mit ihrer Unterschrift unter das Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat. Ohne Gesetz ist das Ziel allerdings noch viel weiter in Ferne gerückt.
Aus Sicht des Jungfreisinns, der Stimmfreigabe zum Gesetz beschlossen hatte, sind die Aktivisten auf dem Holzweg. «Der Klimastreik hat insofern einen Fehler gemacht, dass die nächsten Klimavorlagen nun stärker bürgerlich sein werden», sagt Präsident Matthias Müller. Weil die bürgerlichen Gegner nun gesiegt hätten, müsse künftig auf ihre Vorschläge vermehrt eingegangen werden.