Erst die Risikogruppen, dann das Gesundheitspersonal. Das ist die Strategie, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) punkto Impfung gegen Corona durchgegeben hat. Doch wenn es um die jährliche Grippeimpfung geht, ist ausgerechnet das Pflegepersonal skeptisch: In der Deutschschweiz halten im Schnitt etwa nur ein Drittel jeweils den Arm hin, wie eine Umfrage von SRF Anfang Jahr gezeigt hatte. Eindeutige Gründe dafür gibt es nicht. Viele scheinen sich Sorgen wegen der Nebenwirkungen zu machen. Eine Studie kommt ausserdem zum Schluss, dass sich viele von ihren Arbeitgebern fehlinformiert fühlen.
Der Skepsis gegenüber der Grippeimpfung zum Trotz: «Wir gehen davon aus, dass die Impfbereitschaft bei Corona höher sein wird», wie Roswitha Koch vom Pflegeverband SBK sagt. «Das Pflegepersonal kommt ständig mit dem Virus in Kontakt und hat damit grosses Interesse, sich davor zu schützen.» Seit Beginn der Pandemie hätten sich bereits mindestens 5000 Pflegefachpersonen angesteckt – und über 300 mussten gar selbst ins Spital. Ohnehin seien die Impfungen nicht vergleichbar, betont Koch. «Im Gegensatz zur Grippeimpfung wird die Impfung gegen Corona zu einem hohen Prozentsatz vor schweren Krankheitsverläufen schützen.» Unklar sei zudem noch, ob die Corona-Impfung überhaupt die Übertragung verhindern kann.
Spitäler könnten Impfung vorschreiben
Ein Impfobligatorium für bestimmte Gruppen, wie es laut Epidemiengesetz möglich wäre, ist seitens Bund nicht vorgesehen, was auch Gesundheitsminister Alain Berset (48) immer wieder betont. Allerdings: Laut BAG können Spitäler aufgrund des Arbeitsrechts selbst Massnahmen ergreifen – zum Schutz der Patienten. «Gilt in einem Spital ein Impfobligatorium für gewisse Stationen, und einzelne Gesundheitsfachpersonen wollen sich nicht impfen lassen, dürfen sie dort nicht arbeiten.»
Doch in Planung ist das nicht. So haben sich eine ganze Reihe von Verbänden gegen eine Impfpflicht ausgesprochen, darunter der Spitalverband H+, aber auch der SBK, die Gewerkschaft Unia und Spitex Schweiz. «Es gilt, die individuellen Entscheide bezüglich Impfung der Mitarbeitenden zu respektieren», heisst es in einem gemeinsamen Positionspapier. Von einer Impfanordnung raten die Verbände ab. Unter anderem, weil «noch nicht geklärt ist, wer haften würde, wenn Nebenwirkungen auftreten würden».
Auch bei der Berner Insel-Gruppe und den Unispitälern Basel und Zürich ist eine Pflicht kein Thema. «Die Impfung ist freiwillig und Nichtgeimpfte erwarten keine Konsequenzen», heisst es etwa beim Unispital Zürich. «Alle wenden bei der Arbeit unverändert die Schutzmassnahmen an, welche vor einer Übertragung schützen.»