Eltern von Kindern mit Behinderungen bleiben plötzlich auf Rechnungen für überlebenswichtige Behandlungsgeräte und Verbrauchsmaterial sitzen. Bislang hatte die Invalidenversicherung (IV) diese Rechnungen voll bezahlt. Doch nun übernimmt sie nur noch einen Teil der Kosten.
Dass der Bund auf dem Rücken der Schwächsten in der Gesellschaft spart, stösst gerade in der Partei des zuständigen Bundesrats Alain Berset (51) auf Kritik. So fordert SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (35) auf Twitter, dass dieser Entscheid sofort rückgängig gemacht wird. «Die UBS kann ihre 9-Mrd-CS-Rechnung dem Bund schicken. Während die Eltern von schwerkranken Kindern mit ihren Rechnungen im Stich gelassen werden», schimpft sie. Auch SP-Nationalrätin Gabriela Suter (50) verlangt hier eine Klärung.
Differenz muss berappt werden
Der Grund für die Schlechterstellung von behinderten Kindern ist eine Änderung durch Bersets Departement. Es hat eine Änderung bei der sogenannten Mittel- und Gegenständeliste vorgenommen, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Und neu müssen die Eltern teils die Differenz zwischen den Listen-Preisen von Geräten und dem höheren Marktpreis selbst bezahlen.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in Bersets Innendepartement hat die Höchstvergütungsbeiträge zum Teil deutlich gesenkt. Es möchte dadurch rund 40 Millionen Franken im Jahr sparen – zulasten der behinderten Kinder. «Dies führt zu existenziellen Sorgen bei den betroffenen Familien, weil es sich um lebensnotwendige Behandlungsgeräte und das dazugehörige Verbrauchsmaterial handelt, die Kosten aber für die Familien nicht tragbar sind», sagt Mitte-Nationalrat Christian Lohr (61) zu Blick.
Auch der GLP-Nationalrat Beat Flach (58) ist über das Vorgehen empört: «Durch die Hintertür noch mehr Lasten auf die Betroffenen abzuladen», gehe nicht, sagt er.
Parlamentsentscheid nicht beachtet
Besonders stossend: 2019 diskutierte das Parlament die Zukunft der IV. Damals sprach es sich explizit dagegen aus, die Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Geburtsgebrechen mittels solchen Listen einzuschränken. Dennoch hat das zuständige Bundesamt genau das getan – mit einer Verordnung, die sich der Kontrolle des Parlaments entzieht.
Lohr hat inzwischen einen Vorstoss eingereicht, damit die Landesregierung ihr Vorgehen erklären muss: «Es ist ja schon abstrus, dass man vom Bundesrat fordern muss, er solle die Vorgaben des Parlaments einhalten.»
Waren Produkte zu teuer?
Der Bund weist die Vorwürfe in der «NZZ am Sonntag» von sich und argumentiert, man habe nur die Wirkung einer bestehenden Liste ausgeweitet. Die betroffenen Firmen könnten nun «keine beliebigen Preise mehr in Rechnung stellen». Im Einzelfall könnten betroffene Eltern zu einem anderen Anbieter wechseln, heisst es.