Es hagelt Kritik. Dass die Stadt Bern darüber diskutiert, die Hauszustellung von Paketen abzuschaffen, trifft auf wenig Verständnis. Der Schweizerische Städteverband, bei dem die Bundesstadt Mitglied ist, hat noch am ehesten Verständnis dafür.
Aber auch er sagt: «Von allen gefahrenen Kilometern in der Schweiz fallen knapp 90 Prozent auf Personenwagen und 83 Prozent auf den Privatverkehr», das zeigten Zahlen des Bundesamts für Strassen (Astra). Der Privatverkehr sei somit Hauptverursacher verstopfter Strassen, nicht die Hausliefertransporte.
Überflüssige Fahrten vermeiden
Dennoch seien die Städte gefordert, der Päckli-Zunahme zu begegnen, so der Verband. Man habe aber keinen Überblick über deren Überlegungen. Das übergeordnete Ziel der Städte sei aber wohl, den Verkehr insgesamt zu reduzieren.
Am meisten Sinn macht aus Sicht des Verbands jedoch, jene Fahrten zu einem Haus zu vermeiden, bei denen der Empfänger nicht da ist und das Päckli nicht vor der Tür deponiert werden kann. Gar nicht mehr vor die Haustüren zu fahren, ist offenbar auch für den Städteverband keine vordringliche Lösung.
Nicht auf Kunden abwälzen
Doch wie sieht das ein Vertreter jener Branche, die massgeblich mitschuldig daran ist, dass Städte wie Bern eine Verdreifachung der Päckli bis 2040 erwarten? Der grösste Onlinehändler der Schweiz, Digitec Galaxus, begrüsst es, wenn sich Regierungen und das Transportgewerbe Gedanken über die Herausforderungen der Zukunft machen.
Dass neu Päcklistationen die Lieferungen von Paketen an die Tür ersetzen sollen, macht laut der Firma aber wenig Sinn. «Die Kosten sowie die Verantwortung, nachhaltig zu handeln, werden auf den Endverbraucher oder die Endverbraucherin abgewälzt», betont der Onlinehändler.
Digitec erteilt Bern eine Lektion
Je nachdem, ob der Empfänger mit dem SUV oder dem Velo zur Abholstation fahre, sei die Lösung ökologisch oder nicht. «Wir sind der Meinung, dass es einfacher ist, grosse Unternehmen zu nachhaltigen Auslieferlösungen zu bewegen als jeden einzelnen Endkunden», so die Haltung von Digitec Galaxus.
Dieses Jahr habe man ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem Pakete im LKW an eine zentrale Stelle Zürichs gebracht und dann von Velokurieren ausgeliefert wurden. «Ohne lästige Umverpackung und noch am selben Tag wie bestellt», erteilt der Onlinehändler der Stadt Bern eine Lektion in Ökologie.
«Falsche Richtung»
Auch aus der Politik kommt Kritik. Lena Allenspach (30), die Co-Präsidentin der SP Stadt Bern und Stadträtin, macht klar: «Ein Abbau des Service public kommt nicht infrage.» Es wäre fatal, am Grundversorgungsauftrag zu rütteln. Und: «Schon jetzt werden die Poststellen in den Quartieren marginalisiert. Die Überlegungen der Stadt Bern gehen offensichtlich in die falsche Richtung.» Es sei ineffizient, wenn alle ihre Pakete selber transportieren. «Und es wirft Fragen auf, was dies aus ökologischer Sicht sowie für Gewerbe und Bevölkerung bedeutet», so die Politikerin. Sie prüfe die Einreichung eines Vorstosses in dieser Angelegenheit.
Der in der Berner Stadtregierung für die Angelegenheit zuständige Umweltdirektor Reto Nause (51, Mitte) war für Blick nicht erreichbar.